|
Zwei Gemeinden der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Hamburg
|
|
Das Augsburger Bekenntnis |
|
"Confessio Augustana"
ist das Bekenntnis, das Philipp Melanchton
für den Reichstag zu Augsburg
verfasste und am 25. Juni 1530
vor Reichstag und Kaiser verlas.
Es ist die wichtigste Bekenntnisschrift
der reformatorischen Kirchen.
|
|
Sie erreichen die einzelnen Artikel durch Anklicken der Zahlen im
Inhaltsverzeichnis
|
Teil 1
|
|
Teil 2
|
vom Glauben und von der Lehre
|
|
Stellungnahme zu Mißbräuchen im kirchlichen Leben
|
Sie erreichen die einzelnen Artikel durch Anklicken
der Artikel Nummern im Inhaltsverzeichnis
|
|
|
|
|
|
1 |
von Gott |
|
15 |
von kirchlichen Ordnungen |
2 |
von der Erbsünde |
|
16 |
von staatl. Gewalt u. gesellschaftl. Ordnungen |
3 |
vom Sohn Gottes |
|
17 |
von Christi Wiederkunft zum Gericht |
4 |
über die Rechtfertigung |
|
18 |
vom freien Willen |
5 |
vom Predigtamt |
|
19 |
über den Ursprung der Sünde |
6 |
vom neuen Gehorsam |
|
20 |
vom Glauben und guten Werken |
7 |
über die Kirche und ihre Einheit |
|
21 |
über die Heiligenverehrung |
8 |
über die Wirklichkeit |
|
22 |
von beiderlei Gestalt des Altarsakraments |
9 |
von der Taufe |
|
23 |
vom Ehestand der Priester |
10 |
vom heiligen Abendmahl |
|
24 |
vom Gottesdienst |
11 |
von der Beichte |
|
25 |
von der Beichte |
12 |
von der Buße |
|
26 |
vom Unterschied der Speisen |
13 |
über Bedeutung und Gebrauch der Sakramente |
|
27 |
von Klostergelübden |
14 |
von Amt und Ordination |
|
28 |
von der Gewalt der Bischöfe |
Teil 1
Artikel des Glaubens und der Lehre
Artikel 1
von Gott
Erstens wird einträchtig gelehrt und gehalten, laut des Beschlusses
Concilii Nicaeni (des Nicaenischen Konzils), daß ein einiges göttliches
Wesen sei, welches Gott genannt wird und wahrhaftig [Gott] ist, und doch
sind drei Personen in demselben einigen göttlichen Wesen, gleich gewaltig,
gleich ewig, Gott Vater, Gott Sohn, Gott Heiliger Geist, alle drei e i n
göttliches Wesen, ewig, ohne Stück, ohne Ende, von unermessener Macht,
Weisheit und Güte, ein Schöpfer und Erhalter aller sichtbaren und
unsichtbaren Dinge. Und unter dem Wort »Persona« wird verstanden nicht ein
Stück, nicht eine Eigenschaft in einem andern, sondern [etwas], das selbst
besteht, wie denn die Väter in dieser Sache dies Wort gebraucht haben.
Deshalb werden verworfen alle Ketzereien, die diesem Artikel zuwider sind,
wie: Manichäer, die zwei Götter gesetzt haben, einen bösen und einen
guten; ebenso Valentinianer, Arianer, Eunomianer, Mohammedaner und alle
dergleichen, auch Samosatener, alte und neue, die nur e i n e Person
setzen und von diesen zweien, Wort und Heiligen Geist, Sophisterei machen
und sagen, daß es nicht unterschiedene Personen sein müssen,
sondern »Wort« bedeute leibliches Wort oder Stimme, und der Heilige Geist
sei erschaffene Regung in Kreaturen.
Artikel 2
von der Erbsünde
Weiter wird bei uns gelehrt, daß nach Adams Fall alle Menschen, die
natürlich geboren werden, in Sünden empfangen und geboren werden, das
heißt, daß sie alle von Mutterleib an voll böser Lust und Neigung sind und
keine wahre Gottesfurcht, keinen wahren Glauben an Gott von Natur aus
haben können; daß dieselbe angeborene Seuche und Erbsünde auch wahrhaftig
Sünde sei und alle die unter ewigen Gotteszorn verdamme, die nicht durch
die Taufe und den Heiligen Geist wiederum neu geboren werden.
Hierneben
werden verworfen die Pelagianer und andere, die die Erbsünde nicht für
Sünde halten, damit sie die Natur fromm machen durch natürliche Kräfte, zu
Schmach dem Leiden und Verdienst Christi.
Artikel 3
von dem Sohn Gottes
Ferner, es wird gelehrt, daß Gott der Sohn Mensch geworden sei, geboren
aus der reinen Jungfrau Maria, und daß die zwei Naturen, die göttliche und
die menschliche, in e i n e r Person also unzertrennlich vereinigt, e i n
Christus sind, welcher wahrer Gott und wahrer Mensch ist, wahrhaftig
geboren, gelitten, gekreuzigt, gestorben und begraben, daß er ein Opfer
wäre nicht allein für die Erbsünde, sondern auch für alle andere Sünde,
und Gottes Zorn versöhnte; ferner, daß derselbe Christus abgestiegen sei
zur Hölle, wahrhaftig am dritten Tage von den Toten auferstanden,
aufgefahren gen Himmel, sitzend zur Rechten Gottes, daß er ewig herrsche
über alle Kreaturen und regiere, daß er alle, die an ihn glauben, durch
den Heiligen Geist heilige, reinige, stärke und tröste, ihnen auch Leben
und allerlei Gaben und Güter austeile, und wider den Teufel und wider die
Sünde schütze und beschirme; ferner, daß derselbe Herr Christus endlich
öffentlich kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Toten etc., laut
des Symboli Apostolorum (Apostolischen Bekenntnisses).
Artikel 4
von der Rechtfertigung
Weiter wird gelehrt, daß wir Vergebung der Sünde und Gerechtigkeit vor
Gott nicht erlangen mögen durch unser Verdienst, Werk und Genugtun,
sondern daß wir Vergebung der Sünde bekommen und vor Gott gerecht werden
aus Gnaden, um Christi willen, durch den Glauben, wenn wir glauben, daß
Christus für uns gelitten habe, und daß uns um seinetwillen die Sünde
vergeben, Gerechtigkeit und ewiges Leben geschenkt wird. Denn diesen
Glauben will Gott als Gerechtigkeit vor ihm halten und zurechnen, wie St.
Paulus sagt zu den Römern Kap. 3 und 4.
Artikel 5
vom Predigtamt
Solchen Glauben zu erlangen, hat Gott das Predigtamt eingesetzt,
Evangelium und Sakrament gegeben, wodurch er, als durch Mittel, den
heiligen Geist gibt, welcher den Glauben, wo und wann er will, in denen
wirkt, die das Evangelium hören, welches da lehrt, daß wir durch Christi
Verdienst, nicht durch unser Verdienst, einen gnädigen Gott haben, wenn
wir solches glauben.
Und es werden verdammt die Wiedertäufer und andere,
die lehren, daß wir ohne das leibliche Wort des Evangeliums den Heiligen
Geist durch eigene Bereitung, Gedanken und Werke erlangen.
Artikel 6
vom neuen Gehorsam
Auch wird gelehrt, daß solcher Glaube gute Frucht und gute Werke bringen
soll, und daß man gute Werke tun müsse, allerlei, die Gott geboten hat, um
Gottes willen, doch nicht auf solche Werke zu vertrauen, um dadurch Gnade
vor Gott zu verdienen. Denn wir empfangen Vergebung der Sünden und
Gerechtigkeit durch den Glauben an Christus, wie Christus selbst
spricht: »Wenn ihr dies alles getan habt, sollt ihr sprechen: Wir sind
untüchtige Knechte« (Lk 17,10). Also lehrten auch die Väter. Denn
Ambrosius spricht: »Also ist es beschlossen bei Gott, daß, wer an Christus
glaubt, selig sei, und nicht durch Werke, sondern allein durch den
Glauben, ohne Verdienst, Vergebung der Sünden habe« (Ambrosiaster zu 1 Kor
214).
Artikel 7
von der Kirche
Es wird auch gelehrt, daß allezeit e i n e heilige, christliche Kirche
sein und bleiben müsse, welche die Versammlung aller Gläubigen ist, bei
welchen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente laut des
Evangeliums gereicht werden. Denn dies ist genug zu wahrer Einigkeit der
christlichen Kirchen, daß da einträchtig nach reinem Verstand
(Verständnis) das Evangelium gepredigt und die Sakramente dem göttlichen
Wort gemäß gereicht werden. Und es ist nicht nötig zur wahren Einigkeit
der christlichen Kirche, daß allenthalben gleichförmige Zeremonien, von
den Menschen eingesetzt, gehalten werden, wie Paulus spricht zu den
Ephesern (4‚5): »Ein Leib, ein Geist, wie ihr berufen seid zu einerlei
Hoffnung eurer Berufung; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe«.
Artikel 8
was die Kirche sei
Ferner, wiewohl die christliche Kirche eigentlich nichts anderes ist als
die Versammlung aller Gläubigen und Heiligen, jedoch weil in diesem Leben
viele falsche Christen und Heuchler, auch öffentliche Sünder unter den
Frommen bleiben, so sind die Sakramente gleichwohl kräftig, obschon die
Priester, wodurch sie gereicht werden, nicht fromm sind, wie denn Christus
selbst anzeigt: »Auf dem Stuhl Moses sitzen die Pharisäer etc.« (Mt 23,
2).
Deshalb werden die Donatisten und alle andern verdammt, die es
anders halten.
Artikel 9
von der Taufe
Von der Taufe wird gelehrt, daß sie nötig sei, und daß dadurch Gnade
angeboten werde; daß man auch die Kinder taufen soll, welche durch solche
Taufe Gott überantwortet und gefällig werden.
Deshalb werden die
Wiedertäufer verworfen, welche lehren, daß die Kindertaufe nicht recht
sei.
Artikel 10
vom heiligen Abendmahl
Von dem Abendmahl des Herrn wird also gelehrt, daß wahrer Leib und Blut
Christi wahrhaftig unter der Gestalt des Brotes und Weines im Abendmahl
gegenwärtig sei und da ausgeteilt und genommen werde. Deshalb wird auch
die Gegenlehre verworfen.
Artikel 11
von der Beichte
Von der Beichte wird also gelehrt, daß man in der Kirche privatam
absolutionem (persönliche Lossprechung) erhalten und nicht fallen lassen
soll, wiewohl es in der Beichte nicht nötig ist, alle Missetaten und
Sünden zu erzählen, dieweil solches doch nicht möglich ist, Psalm 18 (19,
13): »Wer kennt die Missetat?
Artikel 12
von der Buße
Von der Buße wird gelehrt, daß diejenigen, die nach der Taufe gesündigt
haben, zu aller Zeit, wenn sie zur Buße kommen, Vergebung der Sünden
erlangen, und ihnen die Absolution von der Kirche nicht verweigert werden
soll. Nun ist wahre rechte Buße eigentlich nichts anderes als Reue und
Leid oder Schrecken über die Sünde haben, und doch daneben glauben an das
Evangelium und die Absolution, daß die Sünde vergeben und durch Christus
Gnade erworben sei, welcher Glaube wiederum das Herz tröstet und zufrieden
macht. Danach soll auch Besserung folgen, und daß man von Sünden lasse;
denn dies sollen die Früchte der Buße sein, wie Johannes [der Täufer]
spricht Mt 3, 8: »Wirket rechtschaffene Frucht der Buße!
Hier werden
verworfen die, welche lehren, daß diejenigen, die einstmals fromm geworden
sind, nicht wieder fallen können. Dagegen werden auch verdammt die
Novatianer, welche die Absolution denen, die nach der Taufe gesündigt
hatten, verweigerten. Auch werden die verworfen, die nicht lehren, daß man
durch Glauben Vergebung der Sünde erlange, sondern durch unser Genugtun.
Artikel 13
vom Gebrauch der Sakramente
Vom Gebrauch der Sakramente wird gelehrt, daß die Sakramente eingesetzt
sind nicht allein darum daß sie Zeichen seien, woran man äußerlich die
Christen erkennen möge, sondern daß es Zeichen und Zeugnisse des
göttlichen Willens für uns seien, unsern Glauben dadurch zu erwecken und
zu stärken, weshalb sie auch Glauben fordern und dann recht gebraucht
werden, wenn man sie im Glauben empfängt und den Glauben dadurch stärkt.
Artikel 14
Vom Kirchenregiment
Vom Kirchenregiment wird gelehrt, daß niemand in der Kirche öffentlich
lehren oder predigen oder Sakramente reichen soll ohne ordentliche
Berufung.
Artikel 15
von kirchlichen Ordnungen
Von Kirchenordnungen, von Menschen gemacht, lehrt man diejenigen zu
halten, die ohne Sünde gehalten werden können und zu Frieden und guter
Ordnung in der Kirche dienen, wie gewisse Feiern, Feste und dergleichen.
Doch geschieht Unterricht dabei, daß man die Gewissen nicht damit
beschweren soll, als sei solch Ding nötig zur Seligkeit. Darüberhinaus
wird gelehrt, daß alle Satzungen und Traditionen, von Menschen dazu
gemacht, daß man dadurch Gott versöhne und Gnade verdiene, dem Evangelium
und der Lehre vom Glauben an Christus entgegen sind. Deshalb sind
Klostergelübde und andere Traditionen vom Unterschied der Speise, Tage
etc., wodurch man vermeint, Gnade zu verdienen und für Sünde genugzutun,
untüchtig und wider das Evangelium.
Artikel 16
von der Staaatsordnung und weltlichem Regiment
Von der Polizei (Staatsordnung) und
dem weltlichen Regiment wird gelehrt, daß alle Obrigkeit in der Welt und
geordnetes Regiment und Gesetze gute Ordnung sind, die von Gott geschaffen und
eingesetzt sind, und daß Christen ohne Sünde in Obrigkeit, Fürsten- und
Richteramt tätig sein können, nach kaiserlichen und anderen geltenden Rechten
Urteile und Recht sprechen, übeltäter mit dem Schwert bestrafen, rechtmäßig
Kriege führen, in ihnen mitstreiten, kaufen und verkaufen, auferlegte Eide
leisten, Eigentum haben, eine Ehe eingehen können usw.
Hiermit werden die verdammt, die lehren, daß das oben Angezeigte unchristlich sei.
Auch werden diejenigen verdammt, die lehren, daß es christliche Vollkommenheit sei,
Haus und Hof, Weib und Kind leiblich zu verlassen und dies alles aufzugeben, wo
doch allein das die rechte Vollkommenheit ist: rechte Furcht Gottes und rechter
Glaube an Gott. Denn das Evangelium lehrt nicht ein äußerliches, zeitliches,
sondern ein innerliches, ewiges Wesen und die Gerechtigkeit des Herzens; und es
stößt nicht das weltliche Regiment, die Polizei (Staatsordnung) und den
Ehestand um, sondern will, daß man dies alles als wahrhaftige Gottesordnung
erhalte und in diesen Ständen christliche Liebe und rechte, gute Werke, jeder
in seinem Beruf, erweise. Deshalb sind es die Christen schuldig, der Obrigkeit
untertan und ihren Geboten und Gesetzen gehorsam zu sein in allem, was ohne Sünde
geschehen kann. Wenn aber der Obrigkeit Gebot ohne Sünde nicht befolgt werden
kann, soll man Gott mehr gehorchen als den Menschen.
Artikel 17
von der Wiederkunft Christi zum Gericht
Auch wird gelehrt, daß unser Herr Jesus Christus am jüngsten Tage kommen
wird, zu richten und alle Toten aufzuerwecken, den Gläubigen und
Auserwählten ewiges Leben und ewige Freude geben, die gottlosen Menschen
aber und die Teufel in die Hölle und ewige Strafe verdammen [wird].
Deshalb werden die Wiedertäufer verworfen, die lehren, daß die Teufel und
verdammten Menschen nicht ewige Pein und Qual haben werden. Ferner werden
hier auch etliche jüdische Lehren verworfen, die sich auch jetzt eräugen
(verbreiten), daß vor der Auferstehung der Toten eitel Heilige, Fromme ein
weltliches Reich haben und alle Gottlosen vertilgen werden.
Artikel 18
vom freien Willen
Vom freien Willen wird also gelehrt, daß der Mensch etlichermaß
(einigermaßen) einen freien Willen hat, äußerlich ehrbar zu leben und zu
wählen unter den Dingen, die die Vernunft begreift; aber ohne Gnade, Hilfe
und Wirkung des Heiligen Geistes vermag der Mensch nicht, Gott gefällig zu
werden, Gott herzlich zu fürchten, oder zu glauben, oder die angeborenen
bösen Lüste aus dem Herzen zu werfen. Sondern solches geschieht durch den
Heiligen Geist, welcher durch Gottes Wort gegeben wird. Denn Paulus
spricht 1 Kur 2, 14: »Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geist
Gottes«.
Und damit man erkennen möge, daß hiermit keine Neuigkeit
gelehrt wird, so sind das die klaren Worte Augustins vom freien Willen,
hier beigeschrieben aus dem dritten Buch Hypognostikon: »Wir bekennen, daß
in allen Menschen ein freier Wille ist; denn sie haben ja alle natürlich
angeborenen Verstand und Vernunft, nicht daß sie etwas mit Gott zu handeln
vermögen, wie: Gott von Herzen zu lieben, zu fürchten, sondern allein in
äußerlichen Werken dieses Lebens haben sie Freiheit, Gutes oder Böses zu
wählen. Mit >gut< meine ich, was die Natur vermag, wie: auf dem Acker zu
arbeiten oder nicht, zu essen, zu trinken, zu einem Freund zu gehen oder
nicht, ein Kleid an- oder auszutun, zu bauen, ein Weib zu nehmen, ein
Handwerk zu treiben und dergleichen etwas Nützliches und Gutes zu tun.
Welches alles doch ohne Gott nicht ist noch besteht, sondern alles aus ihm
und durch ihn ist. Dagegen kann der Mensch auch Böses aus eigener Wahl
vornehmen wie: vor einem Abgott niederknien, einen Totschlag tun etc.«
Artikel 19
von der Ursache der Sünde
Von der Ursache der Sünde wird bei uns gelehrt, daß, wiewohl Gott der
Allmächtige die ganze Natur geschaffen hat und erhält, so wirkt doch der
verkehrte Wille die Sünde in allen Bösen und Verächtern Gottes, wie es
denn des Teufels und aller Gottlosen Wille ist, welcher alsbald, da Gott
die Hand abgetan, sich von Gott zum Argen gewandt hat, wie Christus
spricht Joh 8,44: »Der Teufel redet Lügen aus seinem Eigenen«.
Artikel 20
vom Glauben und guten Werken
Den Unsern wird mit Unwahrheit aufgelegt (zu Unrecht nachgesagt), daß sie
gute Werke verbieten. Denn ihre Schriften von den zehn Geboten und andere
beweisen, daß sie von rechten christlichen Ständen und Werken guten,
nützlichen Bericht und Ermahnung getan haben, wovon man vor dieser Zeit
wenig gelehrt hat, sondern allermeist in allen Predigten auf kindische,
unnötige Werke, wie Rosenkränze, Heiligendienst, Mönchwerden, Wallfahrten,
festgesetzte Fasten, Feiern, Bruderschaften etc. getrieben. Solche
unnötigen Werke rühmt auch unser Widerpart nun nicht mehr so hoch wie
vorzeiten. Dazu haben sie auch gelernt, nun vorn Glauben zu reden, wovon
sie doch in Vorzeiten gar nichts gepredigt haben; lehren dennoch nun, daß
wir nicht allein aus Werken gerecht werden vor Gott, sondern setzen den
Glauben an Christus dazu, sprechen: Glaube und Werke machen uns gerecht
vor Gott; welche Rede etwas mehr Trost bringen mag, als wenn man allein
lehrt, aufs Werk zu vertrauen.
Weil nun die Lehre vom Glauben, die das
Hauptstück ist in christlichem Wesen, so lange Zeit, wie man bekennen muß,
nicht getrieben worden, sondern allein Werklehre an allen Orten gepredigt
[worden ist], ist davon durch die Unseren solcher Unterricht geschehen:
Erstens, daß unsere Werke nicht mit Gott versöhnen und Gnade erwerben
können, sondern solches geschieht allein durch den Glauben, wenn man
glaubt, daß uns um Christi willen die Sünden vergeben werden, welcher
allein der Mittler ist, den Vater zu versöhnen. Wer nun solches vermeint
durch Werke auszurichten und Gnade zu verdienen, der verachtet Christus
und sucht einen eigenen Weg zu Gott wider das Evangelium.
Diese Lehre vom Glauben ist öffentlich und klar bei Paulus an vielen
Orten behandelt, besonders an die Epheser 2‚ 8: »Aus Gnaden seid ihr selig
geworden durch den Glauben, und dasselbe nicht aus euch, sondern es ist
Gottes Gabe, nicht aus Werken, damit sich niemand rühme etc.«
Und daß hierin kein neues Verständnis eingeführt sei, kann man aus
Augustinus beweisen, der diese Sache fleißig behandelt und auch also
lehrt, daß wir durch den Glauben an Christus Gnade erlangen und vor Gott
gerecht werden, und nicht durch Werke, wie sein ganzes Buch »De spiritu cc
Iitera« (Über den Geist und den Buchstaben) ausweist.
Wiewohl nun diese
Lehre bei unversuchten Leuten sehr verachtet wird, so befindet (erweist)
sich doch, daß sie den blöden (zaghaften) und erschrockenen Gewissen sehr
tröstlich und heilsam ist. Denn das Gewissen kann nicht zu Ruhe sind
Frieden kommen durch Werke, sondern allein durch Glauben, wenn es bei sich
gewißlich schließt (feststellt), daß es um Christi willen einen gnädigen
Gott habe, wie auch Paulus spricht Röm 5,1: »So wir durch den Glauben sind
gerecht geworden, haben wir Ruhe und Frieden vor Gott«.
Diesen Trost hat man vorzeiten nicht getrieben in Predigten, sondern
die armen Gewissen auf eigene Werke getrieben, und es sind mancherlei
Werke vorgenommen [worden]. Denn etliche hat das Gewissen in die Klöster
gejagt, in der Hoffnung, daselbst Gnade zu erwerben durch Klosterleben.
Etliche haben andere Werke erdacht, damit Gnade zu verdienen und für Sünde
genugzutun. Viele derselben haben erfahren, daß man dadurch nicht zum
Frieden gekommen ist. Darum ist es nötig gewesen, diese Lehre vom Glauben
an Christus zu predigen und fleißig zu betreiben, damit man wisse, daß man
allein durch Glauben, ohne Verdienst, Gottes Gnade ergreift.
Es geschieht auch Unterricht, daß man hier nicht von solchem Glauben
redet, den auch die Teufel und Gottlosen haben, die auch die Historien
glauben (Jak 2,19), daß Christus gelitten habe und auferstanden sei von
den Toten; sondern man redet vom wahren Glauben, der da glaubt, daß wir
durch Christus Gnade und Vergebung der Sünde erlangen.
Und wer nun weiß, daß er einen gnädigen Gott durch Christus hat, kennt
also Gott, ruft ihn an und ist nicht ohne Gott wie die Heiden. Denn Teufel
und Gottlose glauben diesen Artikel, Vergebung der Sünde, nicht; darum
sind sie Gott feind, können ihn nicht anrufen, nichts Gutes von ihm
hoffen. Und also wie jetzt angezeigt ist, redet die Schrift vom Glauben,
und heißt nicht Glauben ein solches Wissen, das Teufel und gottlose
Menschen haben. Denn also wird vom Glauben gelehrt Hebt. 11,1, daß Glauben
sei (bedeute): nicht allein die Historien wissen, sondern Zuversicht haben
zu Gott, seine Zusage zu empfangen. Und Augustinus erinnert uns auch, daß
wir das Wort »Glauben« in der Schrift verstehen sollen, daß es heiße:
Zuversicht zu Gott, daß er uns gnädig sei, und heiße nicht allein: solche
Historien wissen, wie auch die Teufel wissen.
Ferner wird gelehrt, daß gute Werke geschehen sollen und müssen, nicht
daß man darauf vertraue, Gnade damit zu verdienen, sondern um Gottes
willen und Gott zu Lobe. Der Glaube ergreift allezeit allein Gnade und
Vergebung der Sünde. Und weil durch den Glauben der Heilige Geist gegeben
wird, so wird auch das Herz geschickt, gute Werke zu tun. Denn vorher,
weil es ohne den Heiligen Geist ist, so ist es zu schwach; dazu ist es in
des Teufels Gewalt, der die arme menschliche Natur zu viel Sünden treibt,
wie wir sehen bei den Philosophen, welche sich unterstanden (versucht
haben), ehrlich und unsträflich zu leben, haben aber dennoch solches nicht
ausgerichtet, sondern sind in viele große öffentliche Sünden gefallen.
Also geht es mit dem Menschen, wenn er außerhalb des rechten Glaubens ohne
den Heiligen Geist ist und sich allein durch eigene menschliche Kraft
regiert.
Deshalb ist
diese Lehre vom Glauben nicht zu schelten, daß sie gute Werke verbiete,
sondern vielmehr zu rühmen, daß sie lehre, gute Werke zu tun, und Hilfe
anbiete, wie man zu guten Werken kommen möge. Denn außerhalb des Glaubens
und außerhalb Christi ist menschliche Natur und Vermögen viel zu schwach,
gute Werke zu tun, Gott anzurufen, Geduld zu haben im Leiden, den Nächsten
zu lieben, befohlene Ämter fleißig auszurichten, gehorsam zu sein, böse
Lust zu meiden etc. Solche hohen und rechten Werke können nicht geschehen
ohne die Hilfe Christi, wie er selber spricht Joh 15,5: »Ohne mich könnt
ihr nichts tun«.
Artikel 21
über die Heiligenverehrung
Vom Heiligendienst wird von den Unseren also gelehrt, daß man der Heiligen
gedenken soll, auf daß wir unsern Glauben stärken, wenn wir sehen, wie
ihnen Gnade widerfahren, auch wie ihnen durch Glauben geholfen [worden]
ist; dazu, daß man Exempel nehme von ihren guten Werken, ein jeder nach
seinem Beruf, gleichwie Kaiserliche Majestät selig und göttlich dem
Exempel Davids folgen mag, Krieg wider den Türken zu führen; denn beide
sind sie in königlichem Amt, welches Schutz und Schirm ihrer Untertanen
fordert. Durch Schrift aber kann man nicht beweisen, daß man die Heiligen
anrufen oder Hilfe bei ihnen suchen soll. »Denn es ist allein ein einziger
Versöhnen und Mittler gesetzt zwischen Gott und Menschen, Jesus
Christus« (1 Tim 2,5), welcher der einzige Heiland, der einzige oberste
Priester, Gnadenstuhl und Fürsprecher vor Gott ist (Röm 8,34). Und der hat
allein zugesagt, daß er unser Gebet erhören wolle. Das ist auch der
höchste Gottesdienst nach der Schrift, daß man denselben Jesus Christus in
allen Nöten und Anliegen von Herzen suche und anrufe: »So jemand sündigt,
haben wir einen Fürsprecher bei Gott, der gerecht ist, Jesus etc.« (1 Joh
2,1).
Abschluß des ersten Teils
Dies ist fast (völlig) die Summe der Lehre, welche in unseren Kirchen zu
rechtem christlichen Unterricht und Trost der Gewissen, auch zur Besserung
der Gläubigen gepredigt und gelehrt ist; wie wir denn unsere eigene Seele
und Gewissen ja nicht gern wollten vor Gott mit Mißbrauch des göttlichen
Namens oder Wortes in die höchste größte Gefahr setzen, oder auf unsere
Kinder und Nachkommen eine andere Lehre, als die, die dem reinen
göttlichen Wort und christlicher Wahrheit gemäß [ist], fällen (kommen
lassen) oder vererben. So denn dieselbe in Heiliger Schrift klar
gegründet, und dazu allgemeiner christlicher, ja auch römischer Kirche,
soviel aus der Väter Schriften zu vermerken, nicht zuwider noch entgegen
ist, so achten wir auch (sind der Meinung), unsere Widersacher können in
oben angezeigten Artikeln nicht uneinig mit uns sein. Deshalb handeln
diejenigen ganz unfreundlich, geschwind und wider alle christliche
Einigkeit und Liebe, die die Unseren deshalb als Ketzer abzusondern, zu
verwerfen und zu meiden, sich selbst ohne einigen beständigen Grund
göttlicher Gebote oder Schrift vornehmen. Denn die Irrung und Zank ist
vornehmlich über etliche Traditionen und Mißbräuche. So denn nun an den
Hauptartikeln kein befindlicher Ungrund (fehlende Begründung) oder Mangel,
und dies unser Bekenntnis göttlich und christlich ist, sollten sich billig
die Bischöfe, wenn schon bei uns der Tradition halber ein Mangel wäre,
gelinder erzeigen, wiewohl wir hoffen, beständigen Grund und Ursache
darzutun, warum bei uns etliche Traditionen und Mißbräuche geändert sind.
Von Wikipedia / Wikisource
Teil 2
Stellungnahme zu Mißbräuchen im kirchlichen Leben
Wenn nun von den Artikeln des Glaubens in unseren
Kirchen nicht wider die Heilige Schrift oder die allgemeine christliche
Kirche gelehrt wird, sondern allein etliche Mißbräuche geändert sind,
welche zum Teil mit der Zeit selbst eingerissen, zum Teil mit Gewalt
aufgerichtet [sind], fordert unsere Notdurft (Notwendigkeit), dieselben zu
erzählen (aufzuzählen) und Ursache anzuzeigen, warum hierin Änderung
geduldet ist, damit Kaiserliche Majestät erkennen möge, daß hierin nicht
unchristlich oder freventlich gehandelt [ist], sondern daß wir durch
Gottes Gebot, welches billig höher zu achten [ist] als alle Gewohnheit,
gedrungen sind, solche Änderung zu gestatten.
Artikel 22
Von beiderlei Gestalt des Altarsakramentes
Den Laien wird
bei uns beiderlei Gestalt des Sakrament« gereicht, aus dieser Ursache:
Denn dies ist ein klarer Befehl und Gebot Christi, Mt a6, 27: »Trinket
alle daraus!«. Da gebietet Christus mit klaren Worten von dem Kelch, daß
sie alle daraus trinken sollen. Und damit niemand diese Worte anfechten
und glossieren (auslegen) könne, als gehöre es den Priestern allein zu, so
zeigt Paulus 1 Kor 11,26 an, daß die ganze Versammlung der Konintherkirche
beiderlei Gestalt gebraucht hat. Und dieser Brauch ist lange Zeit in der
Kirche geblieben, wie man durch die Historie und der Väter Schriften
beweisen kann. Cyprianus (gest. 258) gedenkt (erwähnt) an vielen Orten,
daß zu der Zeit den Laien der Kelch gereicht sei. So spricht Sankt
Hieronymus (gest. 420), daß die Priester, die das Sakrament reichen, dem
Volk das Blut Christi austeilen. So gebietet Gelasius, der Papst (gest.
496) selbst, daß man das Sakrament nicht teilen soll. Man findet auch
nirgends einen Kanon, der da gebietet, allein e i n e Gestalt zu nehmen.
Es kann auch niemand wissen, wann oder durch wen diese Gewohnheit, e i n e
Gestalt zu nehmen, eingeführt [worden] ist, wiewohl der Kardinal Cusanus
(gest. 1464) gedenkt (erwähnt), wann diese Weise approbiert sei. Nun ist
öffentlich (ganz klar), daß solche Gewohnheit, wider Gottes Gebot, auch
wider die alten Canones eingeführt, unrecht ist. Deshalb hat sich nicht
gebührt, derjenigen Gewissen, die das heilige Sakrament nach Christi
Einsetzung zu gebrauchen begehrt haben, zu beschweren und sie zu zwingen,
wider unseres Herrn Christi Ordnung zu handeln. Und weil die Teilung des
Sakraments der Einsetzung Christi entgegen ist, wird auch bei uns die
gewöhnliche Prozession mit dem Sakrament
Artikel 23
Von Ehestand der Priester
Es ist bei jedermann, hohen und niederen Standes, eine große, mächtige
Klage in der Welt gewesen von großer Unzucht und wildem Wesen und Leben
der Priester, die nicht vermochten, Keuschheit zu halten, und es war auch
je mit solchen greulichen Lastern aufs höchste gekommen. Soviel häßliches,
großes Ärgernis, Ehebruch und andere Unzucht zu vermeiden, haben sich
etliche Priester bei uns in den ehelichen Stand begeben. Dieselben zeigen
diese Ursache an, daß sie dahin gedrängt und bewegt [worden] seien aus
hoher Not ihrer Gewissen, nachdem die Schrift klar meldet, der eheliche
Stand sei von Gott dem Herrn eingesetzt, Unzucht zu vermeiden, wie Paulus
sagt: »Die Unzucht zu vermeiden habe ein jeglicher sein eigenes Eheweib«,
ferner: »Es ist besser, ehelich werden als brennen« (1 Kor 7,2 u. 9). Und
nachdem Christus sagt Mt 19,11: »Sie fassen nicht alle das Wort«, da zeigt
Christus an, welcher wohl gewußt [hat], was am Menschen sei, daß wenige
Leute die Gabe, keusch zu leben, haben. »Denn Gott hat den Menschen,
Männlein und Fräulein, geschaffen« 1 Mose 1, 27. Ob es nun in menschlicher
Macht oder Vermögen sei, ohne besondere Gabe und Gnade Gottes, durch
eigenes Vornehmen oder Gelübde, Gottes, der hohen Majestät, Geschöpf
besser zu machen oder zu ändern, hat die Erfahrung allzu klar gegeben.
Denn was an Gutem, was an ehrbarem, züchtigem Leben, was an christlichem,
ehrlichem oder redlichem Wandel hei vielen daraus folgt, wie greuliche,
schreckliche Unruhe und Qual ihrer Gewissen viele an ihrem letzten Ende
deshalb gehabt [haben], ist am Tage, und ihrer viele haben es selbst
bekannt. Wenn denn Gottes Wort und Gebot durch kein menschliches Gelübde
oder Gesetz geändert werden kann, haben aus diesen und anderen Ursachen
und Gründen die Priester und andere Geistliche Eheweiber genommen.
So
ist es auch aus den Historien und der Väter Schriften zu beweisen, daß in
der christlichen Kirche vor alters der Brauch gewesen [ist], daß die
Priester und Diakone Eheweiber gehabt [haben]. Darum sagt Paulus 11 Tim
3,2: »Es soll ein Bischof unsträflich sein, e i n e s Weibes Mann«. Es
sind auch in deutschen Landen erst vor vierhundert Jahren die Priester vom
Ehhestand mit Gewalt zum Gelübde der Keuschheit abgedrungen (gezwungen
worden), welche sich auch sämtlich so ganz ernstlich und hart widersetzt
haben, daß ein Erzbischof zu Mainz, welcher das päpstliche neue Edikt
deshalb verkündigte, beinahe in einer Empörung der ganzen Priesterschaft
in einem Gedränge umgebracht [worden] wäre (Siegfried von Mainz 1075). Und
dasselbe Verbot ist bald im Anfang so geschwind und unschicklich
vorgenommen [worden], daß der Papst zu der Zeit nicht allein die künftige
Ehe den Priestern verboten hat], sondern auch diejenigen Ehe, die schon in
dem Stande lange gewesen [waren], zerrissen, welches doch nicht allein
wider alle göttlichen, natürlichen und weltlichen Rechte, sondern auch den
Canones (Rechtssätzen), die die Päpste selbst gemacht [hatten], und den
berühmtesten Konzilien ganz entgegen und zuwider ist.
Auch ist bei vielen hohen, gottesfürchtigen, verständigen Leuten der
gleichen Rede und Bedenken oft gehört [worden], daß solch gedrungener
(erzwungener) Zölibat und Beraubung des Ehestandes, welchen Gott selbst
eingesetzt und freigelassen hat], nie etwas Gutes, sondern viele große,
böse Laster und viel Arges eingeführt habe. Es hat auch einer von den
Päpsten, Pius II. (gest. 1464) selbst, wie seine Historie anzeigt, diese
Worte oft geredet und von sich schreiben lassen: Es möge wohl etliche
Ursachen haben, warum den Geistlichen die Ehe verboten sei; es habe aber
viel höhere, größere und wichtigere Ursache, warum man ihnen die Ehe
wieder frei lassen sollte. Unzweifelhaft, es hat Papst Pius als ein
verständiger, weiser Mann dies Wort aus großem Bedenken geredet.
Deshalb wollen wir uns in Untertänigkeit zu Kaiserlicher Majestät
vertrösten, daß Ihre Majestät als ein christlicher, hochlöblicher Kaiser
gnädig beherzigen werden, daß jetzt in den letzten Zeiten und Tagen, von
welchen die Schrift meldet, die Welt immer ärger und die Menschen
gebrechlicher und schwächer werden.
Deshalb ist es wohl hochnötig, nützlich und christlich, diese fleißige
Einsehung zu tun (einsichtig zu sein), damit, wenn der Ehestand verboten
[ist], nicht ärgere und schändlichere Unzucht und Laster in deutschen
Landen einreißen möchten. Denn es wird diese Sache niemand je weiser oder
besser ändern oder machen können als Gott selbst, welcher den Ehestand,
menschlicher Gebrechlichkeit zu helfen und Unzucht zu wehren, eingesetzt
hat.
So sagen die alten Canones (Rechtssätze) auch, man müsse zuzeiten die
Schärfe und rigorem (Starrheit) lindern und nachlassen, um menschlicher
Schwachheit willen und um Ärgeres zu verhüten und zu meiden.
Nun wäre das in diesem Falle auch wohl christlich und ganz hoch
vonnöten. Was kann auch der Priester und der Geistlichen Ehestand der
allgemeinen christlichen Kirche nachteilig sein, besonders der Pfarrer und
anderer, die der Kirche dienen sollen? Es wird wohl künftig an Priestern
und Pfarrern mangeln, wenn dies harte Verbot des Ehestandes länger währen
sollte.
Da nun dieses, nämlich daß die Priester und Geistlichen ehelich werden
können, gegründet ist auf das göttliche Wort und Gebot, dazu die Historien
beweisen, daß die Priester ehelich gewesen [sind], da auch das Gelübde der
Keuschheit so viel häßliches, unchristliches Ärgernis, so viel Ehebruch,
schreckliche, unerhörte Unzucht und greuliche Laster angerichtet hat, daß
auch etliche redliche unter den Domherrn, auch etliche Kurtisane zu Rom
solches oft selbst bekannt und kläglich angezogen (dargelegt haben), wie
solches Laster im Klerus zu greulich und übermächtig [sei und] Gottes Zorn
würde erregt werden: so ist es je erbärmlich, daß man den christlichen
Ehestand nicht allein verboten, sondern ihn an etlichen Orten aufs
geschwindeste, wie um großer Übeltat willen, zu strafen sich unterstanden
hat, wo doch Gott in der Heiligen Schrift den Ehestand in allen Ehren zu
haben (halten) geboten hat. So ist auch der Ehestand in kaiserlichen
Rechten und in allen Monarchien, wo je Gesetz und Recht gewesen [sind],
hoch gelobt. Allein zu dieser Zeit beginnt man die Leute unschuldig,
allein um der Ehe willen, zu mattem, und noch dazu Priester, die man vor
anderen schonen sollte; und [dies] geschieht nicht allein wider göttliches
Recht, sondern auch wider die Canones. Paulus, der Apostel, nennt 1 Tim
4,1 u. 3 die Lehren, die die Ehe verbieten, Teufelslehren. So sagt
Christus selbst Joh 8,44, der Teufel sei ein Mörder von Anbeginn, welches
denn wohl damit zusammenstimmt daß es freilich Teufelslehren sein müssen,
die die Ehe verbieten und sich unterstehen solche Lehre mit Blutvergießen
zu erhalten.
Wie aber kein menschliches Gesetz Gottes Gebot wegtun oder ändern kann,
also kann auch kein Gelübde Gottes Gebot ändern. Darum gibt auch St.
Cyprianus den Rat, daß die Weiber, die die gelobte Keuschheit nicht
halten, ehelich werden sollen, und sagt Epist 11 also: »Wenn sie aber
Keuschheit nicht halten wollen oder nicht vermögen, so ist‘s besser, daß
sie ehelich werden, als daß sie durch ihre Lust ins Feuer fallen, und
sollen sich wohl vorsehen, daß sie den Brüdern und Schwestern kein
Ärgernis anrichten«.
Zudem, so
brauchen auch alle Canones große Gelindigkeit und Äquität (Billigkeit)
gegen diejenigen, die in der Jugend Gelübde getan [haben], wie denn
Priester und Mönche meistenteils in der Jugend in solchen Stand aus
Unwissenheit gekommen sind.
Artikel 24
Von der Messe
Man legt den Unsern mit Unrecht auf (wirft. . . vor), daß sie die Messe
abgetan haben sollen. Denn das ist offensichtlich, daß die Messe, ohne
Ruhm zu reden, bei uns mit größerer Andacht und Ernst gehalten wird als
bei den Widersachern. So werden auch die Leute mit höchstem Fleiß zum
öfteren Mal unterrichtet vorn heiligen Sakrament, wozu es eingesetzt und
wie es zu gebrauchen sei, nämlich die erschrockenen Gewissen damit zu
trösten, wodurch das Volk zur Kommunion und Messe gezogen wird. Dabei
geschieht auch Unterricht wider andere unrechte Lehre vom Sakrament. So
ist auch in den öffentlichen Zeremonien der Messe keine merkliche Änderung
geschehen, außer daß an etlichen Orten deutsche Gesänge, um das Volk damit
zu lehren und zu üben, neben lateinischem Gesang gesungen werden, zumal
alle Zeremonien vornehmlich dazu dienen sollen, daß das Volk daran lerne,
was ihm von Christus zu wissen notwendig ist.
Nachdem aber die Messe auf
mancherlei Weise vor dieser Zeit mißbraucht [wurde], wie am Tage ist, so
daß ein Jahrmarkt daraus gemacht [worden ist], daß man sie gekauft und
verkauft hat und den größeren Teil in allen Kirchen um Geldes willen
gehalten [hat], ist solcher Mißbrauch zu mehreren Malen, auch vor dieser
Zeit, von gelehrten und frommen Leuten gestraft worden. Als nun die
Prediger bei uns davon gepredigt [haben] und die Priester an die
schreckliche Bedrohung erinnert [worden] sind, die denn billig einen jeden
Christen bewegen soll, daß, wer das Sakrament unwürdig gebraucht, der sei
schuldig an Leib und Blut Christi, darauf sind solche Kaufmessen und
Winkelmessen, welche bisher aus Zwang um Geldes und der Präbenden
(Stiftungen) willen gehalten worden [sind], in unsern Kirchen gefallen.
Dabei ist auch der greuliche Irrtum gestraft, daß man gelehrt hat,
unser Herr Christus habe durch seinen Tod allein für die Erbsünde
genuggetan und die Messe eingesetzt zu einem Opfer für die anderen Sünden,
und also die Messe zu einem Opfer gemacht für die Lebendigen und Toten,
dadurch Sünden wegzunehmen und Gott zu versöhnen. Daraus ist weiter
gefolgt, daß man disputiert hat ob eine Messe, für viele gehalten,
ebensoviel verdiene (Verdienste schaffe), als wenn man für einen jeglichen
eine besondere hielte. Daher ist die große unzählige Menge der Messen
gekommen, daß man mit diesem Werk bei Gott hat alles erlangen wollen,
dessen man bedurft hat, und daneben ist der Glaube an Christus und der
rechte Gottesdienst vergessen worden.
Darum ist davon Unterricht geschehen, wie ohne Zweifel die Not
gefordert [hat], daß man wüßte, wie das Sakrament recht zu gebrauchen
wäre. Und erstens: daß kein Opfer für Erbsünde und andere Sünde da sei als
der alleinige Tod Christi, zeigt die Schrift an vielen Orten an. Denn also
steht geschri5ben Hebräer 9,26, daß sich Christus e i n m a 1 geopfert und
dadurch für alle Sünde genuggetan hat. Es ist gar eine unerhörte Neuigkeit
in der Kirchenlehre, daß Christi Tod allein für die Erbsünde, und nicht
auch für andere Sünde sonst, genuggetan haben sollte. Deshalb [ist] zu
hoffen, daß männiglich (jedermann) verstehe, daß solcher Irrtum nicht
unbillig gestraft sei.
Zum andern, so lehrt St. Paul, daß wir vor Gott Gnade erlangen durch
Glauben und nicht durch Werke. Dawider ist öffentlich (richtet sich
offensichtlich) dieser Mißbrauch der Messe, wenn man vermeint, durch
dieses Werk Gnade zu erlangen, wie man denn weiß, daß man die Messe dazu
gebraucht, dadurch Sünde abzulegen und Gnade und alle Güter bei Gott zu
erlangen; nicht allein der Priester für sich, sondern auch für die ganze
Welt und für andere, Lebendige und Tote.
Zum dritten, so ist das heilige Sakrament eingesetzt, nicht um damit
für die Sünde ein Opfer anzurichten — denn das Opfer ist zuvor (durch
Christus) geschehen —‚ sondern daß unser Glaube dadurch erweckt und die
Gewissen getröstet werden, welche durchs Sakrament vernehmen, daß ihnen
Gnade und Vergebung der Sünde von Christus zugesagt ist. Deshalb fordert
dies Sakrament Glauben und wird ohne Glauben vergeblich gebraucht.
Weil nun die Messe nicht ein Opfer ist für andere, Lebendige oder Tote,
ihre Sünde wegzunehmen, sondern eine Kommunion sein soll, da der Priester
und andere das Sakrament für sich empfangen, so wird diese Weise bei uns
gehalten, daß man an Feiertagen, auch sonst, wenn Kommunikanten da sind,
Messe hält und etliche, die das begehren, kommuniziert. Also bleibt bei
uns die Messe in ihrem rechten Brauch, wie sie vorzeiten in der Kirche
gehalten [wurde], wie man beweisen kann aus St. Paul 1 Kor 11, dazu auch
aus vieler Väter Schriften. Denn Chrysostomus (gest. 407) spricht davon,
wie der Priester täglich stehe und fordere etliche zur Kommunion auf,
etlichen verbiete er hinzuzutreten. Auch zeigen die alten Canones an, daß
einer das Amt gehalten und die anderen Priester und Diakonen kommuniziert
hat. Denn also lauten die Worte im Kanon (18) des Nicänums: Die Diakonen
sollen nach den Priestern ordentlich das Sakrament empfangen vom Bischof
oder Priester.
Wenn man
nun hierin keine Neuerung, die in der Kirche vor alters nicht gewesen
[ist], vorgenommen hat, auch in den öffentlichen Zeremonien der Messen
keine merkliche Änderung geschehen [ist], allein daß die anderen unnötigen
Messen, etwa durch einen Mißbrauch neben der Pfarrmesse gehalten
weggefallen sind, soll billig diese Weise, Messe zu halten, nicht als
ketzerisch und unchristlich verdammt werden. Denn man hat vorzeiten auch
in den großen Kirchen, wo viel Volks gewesen ist, auch auf die Tage, wo
das Volk zusammenkam, nicht täglich Messe gehalten, wie die »Tripartita
historiae« Buch 9 anzeigt, daß man zu Alexandria am Mittwoch und Freitag
die Schrift gelesen und ausgelegt und sonst alle Gottesdienste gehalten
habe ohne die Messe.
Artikel 25
Von der Beichte
Die Beichte ist durch die Prediger dieses Teils (der Evangelischen) nicht
abgetan. Denn diese Gewohnheit wird bei uns gehalten, das Sakrament nicht
zu reichen denen, die nicht zuvor verhört und absolviert sind. Dabei wird
das Volk fleißig unterrichtet, wie tröstlich das Wort der Absolution sei,
wie hoch und teuer die Absolution zu achten[sei]. Denn es sei nicht des
gegenwärtigen Menschen Stimme oder Wort, sondern Gottes Wort, der die
Sünde vergibt. Denn sie wird au Gottes Statt und aus Gottes Befehl
gesprochen. Von diesem Befehl und Gewalt der Schlüssel, wie tröstlich, wie
nötig sie sei den erschrockenen Gewissen, wird mit großem Fleiß gelehrt;
dazu, wie Gott fordert, dieser Absolution zu glauben, nicht weniger, als
wenn Gottes Stimme vom Himmel erschölle, und uns der Absolution fröhlich
zu trösten und zu wissen, daß wir durch solchen Glauben Vergebung der
Sünde erlangen. Von diesen nötigen Stöcken haben vorzeiten die Prediger,
die von der Beichte viel lehrten, nicht ein Wörtlein berührt, sondern
allein die Gewissen mit langer Erzählung der Sünden, mit Genugtun. mit
Ablaß, mit Wallfahrten und dergleichen gemartert. Und viele unserer
Widersacher bekennen selbst, daß dieses Teils (bei uns) von rechter
christlicher Buße schicklicher als zuvor in langer Zeit geschrieben und
gehandelt sei.
Und es wird
von der Beichte also gelehrt, daß man niemanden drängen soll, die Sünden
namhaftig zu erzählen (namentlich aufzuzählen). Denn solches ist
unmöglich, wie der Psalm 19, 13 spricht: »Wer kennet die Missetat?« Und
Jeremias 17,9 sagt: »Des Menschen Herz ist so arg, daß man‘s nicht
auslernen kann«. Die elende menschliche Natur steckt also tief in Sünden,
daß sie dieselben nicht alle sehen oder kennen kann, und sollten wir
allein von denen absolviert werden, die wir zählen können, wäre uns wenig
geholfen. Deshalb ist es nicht nötig, die Leute zu drängen, die Sünde
namentlich aufzuzählen. Also haben es auch die Väter gehalten, wie man
findet in Dist. I. De poenitentia, wo die Worte des Chrysostomus angezogen
(angeführt) werden: »Ich sage nicht, daß du dich selbst öffentlich
dargeben noch bei einem andern dich selbst verklagen oder schuldig geben
sollst, sondern gehorche dem Propheten, welcher spricht: Offenbare dem
Herrn deine Wege. Deshalb beichte Gott, dem Herrn, dem wahrhaftigen
Richter, neben deinem Gebet. Nicht sage deine Sünden mit der Zunge,
sondern in deinem Gewissen«. Hier sieht man klar, daß Chrysostomus nicht
zwingt, die Sünden namentlich aufzuzählen. So lehrt auch die Glosse zu dem
[genannten] Dekret De poenitentia Dist. 5,1, daß die Beichte nicht durch
die Schrift geboten, sondern durch die Kirche eingesetzt sei. Doch wird
durch die Prediger dieses Teils (bei uns) fleißig gelehrt, daß die Beichte
wegen der Absolution, welche das Hauptstück und das Vornehmste darin ist,
zum Trost der erschrockenen Gewissen, dazu um etlicher anderer Ursache
willen, beizubehalten sei.
Artikel 26
Vom Unterschied der Speisen (und Kirchensatzungen)
Vorzeiten hat man also gelehrt, gepredigt und geschrieben, daß Unterschied
der Speisen und dergleichen Tradition, von Menschen eingesetzt, dazu
dienen, daß man dadurch Gnade verdiene und für die Sünde genugtue. Aus
diesem Grunde hat man täglich neue Fasten, neue Zeremonien, neue [Mönchs]Orden
und dergleichen erdacht und auf solches heftig und hart getrieben
(gedrängt), als seien solche Dinge nötige Gottesdienste, wodurch man Gnade
verdiene, wenn man‘s halte, und große Sünde geschehe, wenn man‘s nicht
halte. Daraus sind viele schädliche Irrtümer in der Kirche gefolgt.
Erstens ist dadurch die Gnade Christi und die Lehre vom Glauben
verdunkelt, welche uns das Evangelium mit großem Ernst vorhält, und es
treibt (drängt) hart darauf, daß man das Verdienst Christi hoch und teuer
achte und wisse, daß Glauben an Christus hoch und weit über alle Werke zu
setzen sei. Deshalb hat St. Paulus heftig wider das Gesetz Moses und
menschliche Tradition gefochten, damit wir lernen sollen, daß wir vor Gott
nicht fromm werden aus unseren Werken, sondern allein durch den Glauben an
Christus, daß wir um Christi willen Gnade erlangen. Solche Lehre ist
dadurch schier (beinahe) ganz erloschen, daß man gelehrt hat, Gnade zu
verdienen mit festgesetztem Fasten, Unterschied der Speise, Kleidern etc.
Zum anderen haben solche Traditionen auch Gottes Gebot verdunkelt; denn
man setzte diese Traditionen weit über Gottes Gebot. Dies hielt man allein
für christliches Leben: wer die Feier also hielt, also betete, also
fastete, also gekleidet war, das nannte man geistliches, christliches
Leben. Daneben hielt man andere nötige gute Werke für ein weltliches,
ungeistliches Wesen, nämlich diese, die jeder nach seinem Beruf zu tun
schuldig ist, wie z. B.; daß der Hausvater arbeitet, um Weib und Kind zu
ernähren und zur Gottesfurcht aufzuziehen, die Hausmutter Kinder gebiert
und ihrer wartet, ein Fürst und Obrigkeit Land und Leute regiert etc.
Solche Werke, von Gott geboten, mußten ein weltliches und unvollkommenes
Wesen sein; aber die Traditionen mußten den prächtigen Namen haben, daß
sie allein heilige, vollkommene Werke hießen. Deshalb war kein Maß noch
Ende, solche Traditionen zu machen.
Zum dritten, solche Traditionen sind zu hoher Beschwerung der Gewissen
geraten. Denn es war nicht möglich, alle Traditionen zu halten, und doch
waren die Leute der Meinung, als wäre solches ein nötiger Gottesdienst.
Und Gerson (gest. 1429) schreibt, daß viele hiermit in Verzweiflung
gefallen [seien], etliche haben sich auch selbst umgebracht, deshalb, weil
sie keinen Trost von der Gnade Christi gehört haben. Denn wie die Gewissen
verwirrt wurden;, sieht man bei den Summisten und Theologen, welche sich
unterstanden haben, die Traditionen zusammenzuziehen, und Äquität (rechtes
Maß) gesucht [haben], daß sie den Gewissen hülfen; sie haben so viel damit
zu tun gehabt, daß derweil alle heilsame christliche Lehre von nötigeren
Sachen, wie vom Glauben, vorn Trost in hohen Anfechtungen und dergleichen,
daniedergelegen ist. Darüber haben auch viele fromme, gelehrte Leute vor
dieser Zeit sehr geklagt, daß solche Traditionen viel Zank in der Kirche
anrichten, und daß fromme Leute, damit verhindert, nicht zur rechten
Erkenntnis Christi kommen konnten. Gerson und etliche mehr haben heftig
darüber geklagt. Ja, es hat auch Augustinus mißfallen, daß man die
Gewissen mit so viel Tradition beschwert [hat]. Deshalb gibt er dabei
Unterricht, daß man‘s nicht für nötige Dinge halten soll.
Darum haben die Unsern nicht aus Frevel oder Verachtung geistlicher
Gewalt von diesen Sachen gelehrt, sondern es hat die hohe Not gefordert,
von obangezeigten Irrtümern Unterricht zu tun, welche aus Mißverstand der
Tradition gewachsen sind. Denn das Evangelium zwingt dazu, daß man in der
Kirche die Lehre vom Glauben treiben soll und muß, welche doch nicht
verstanden werden kann, wenn man meint, durch eigene gewählte Werke Gnade
zu verdienen.
Und davon ist also gelehrt, daß man durch das Halten gedachter
menschlicher Tradition nicht Gnade verdienen oder Gott versöhnen oder für
die Sünde genugtun kann. Und es soll deshalb kein nötiger Gottesdienst
daraus gemacht werden.
Dazu wird Ursache aus der Schrift angezogen (angeführt).
Es folgt ein eingehender Schriftbeweis.
Daneben wird auch gelehrt, daß ein jeglicher schuldig ist, sich mit
leiblicher Übung, wie Fasten und anderer Arbeit, so zu halten, daß er
nicht Ursache zu Sünden gebe, [aber] nicht daß er mit solchen Werken Gnade
verdiene. Diese leibliche Übung soll nicht allein etliche bestimmte Tage,
sondern stetig getrieben weiden.
Es folgt ein Schriftbeweis.
Auch werden dieses Teils (bei uns) viele Zeremonien und Traditionen
gehalten, wie: Ordnung der Messe und andere Gesänge, Feste etc., welche
dazu dienen, daß in der Kirche Ordnung gehalten werde. Daneben aber wird
das Volk unterrichtet, daß solcher äußerlicher Gottesdienst nicht fromm
macht vor Gott, und daß man es ohne Beschwerung des Gewissens halten soll,
so daß, wenn man es unterläßt ohne Ärgernis, nicht daran gesündigt wird.
Diese Freiheit in äußerlichen Zeremonien haben auch die alten Väter
gehalten.
Es folgen Verweise auf die altkirchliche Praxis.
Artikel 27
Von Klostergelübden
Von Klostergelübden zu reden ist notwendig;, erstens, um zu bedenken, wie
es bisher damit gehalten [wurde], welches Wesen (welche Zustände) in
Klöstern gewesen und daß sehr viel darin täglich nicht allein wider Gottes
Wort, sondern auch päpstlichen Rechten zuwider gehandelt ist. Denn zu St.
Augustins Zeiten sind Klosterstände frei gewesen; später, da die rechte
Zucht und Lehre zerrüttet [war], hat man Klostergelübde erdacht und damit
eben als mit einem erdachten Gefängnis die Zucht wiederum aufrichten
wollen.
Überdies hat man neben den Klostergelübden viele andere Stücke
mehr aufgebracht und mit solchen Banden und Beschwerden ihrer viele, auch
vor gebührenden Jahren, beladen.
So sind auch viele Personen aus Unwissenheit zu solchem Klosterleben
gekommen, welche, wiewohl sie sonst nicht zu jung gewesen [sind], doch ihr
Vermögen (ihre Fähigkeiten) nicht genug ermessen noch verstanden haben.
Dieselben alle, also verstrickt und verwickelt, sind gezwungen und
gedrungen gewesen, in solchen Banden zu bleiben, ungeachtet dessen, daß
auch das päpstliche Recht ihrer viele freigibt. Und das ist in
Jungfrauenklöstern noch beschwerlicher gewesen als in Mönchsklöstern,
während sich doch geziemt hätte, die Weibsbilder als die Schwachen zu
verschonen. Dieselbe Strenge und Härte hat auch vielen frommen Leuten in
Vorzeiten mißfallen; denn sie haben wohl gesehen, daß beide, Knaben und
Mädchen, um Erhaltung des Leibes willen (zur Versorgung) in die Klöster
gesteckt worden sind. Sie haben auch wohl gesehen, wie übel dasselbe
Vornehmen geraten ist, was für Ärgernis, was für Beschwerung der Gewissen
es gebracht [hat], und viele Leute haben geklagt, daß man in solcher
gefährlichen Sache die Canones so gar nicht geachtet [hat]. Zudem so hat
man eine solche Meinung von den Klostergelübden, die unverborgen
(offensichtlich) auch vielen Mönchen übel gefallen hat, die ein wenig
Verstand gehabt haben.
Denn sie gaben vor, daß Klostergelübde der Taufe gleich wären und daß
man mit dem Klosterleben Vergebung der Sünden und Rechtfertigung vor Gott
verdiene. Ja, sie setzten noch mehr dazu, daß man mit dem Klosterleben
nicht allein Gerechtigkeit und Frömmigkeit verdiente, sondern auch, daß
man damit die Gebote und Räte, im Evangelium verfaßt, hielte, und also
wurden die Klostergelübde höher gepriesen als die Taufe; ferner, daß man
mit dem Klosterleben mehr verdiente als mit allen anderen Ständen, die von
Gott sind, wie Pfarrer. und Predigerstand, Obrigkeit-, Fürsten-,
Herrenstand und dergleichen, die alle nach Gottes Gebot, Wort und Befehl
ihrem Beruf ohne erdichtete Geistlichkeit dienen; wie denn keins dieser
Stücke verneint werden kann, denn man findet‘s in ihren eigenen Büchern.
Überdies, wer also gefangen und ins Kloster gekommen [war], lernte wenig
von Christus ...
Im folgenden wird dargelegt, daß Klostergelübde Gottes Schöpfungsordnung
nicht aufheben können, die lautet: »Es ist nicht gut, daß der Mensch
allein sei; ich will ihm eine Gehilfin machen« (Gen 2, 8). Jeder Mensch
hat daher das Recht und die Möglichkeit zu heiraten; und das Gelübde
ewiger Keuschheit, zumal wenn es zu früh und nicht in völliger Freiheit
abgelegt wird, ist nicht bindend. Ferner wird noch einmal betont, daß
der Mensch durch das Halten von Klostergelübden keine Gerechtigkeit
vor Gott erwerben kann. Da dies jedoch normalerweise das Ziel ist,
schmälern die Gelübde die Gnade Christi und wenden sich gegen Gottes
Gebot.
Überdies werden auch die Gebote Gottes und der rechte und wahre
Gottesdienst dadurch verdunkelt, wenn die Leute hören, daß allein die
Mönche im Stande der Vollkommenheit sein sollen. Denn die christliche
Vollkommenheit ist, daß man Gott von Herzen und mit Ernst fürchtet, und
doch auch eine herzliche Zuversicht und Glauben, auch Vertrauen faßt, daß
wir um Christi willen einen gnädigen, barmherzigen Gott haben, daß wir von
Gott bitten und begehren können und sollen, was uns not ist, und Hilfe von
ihm in allen Trübsalen gewißlich, nach eines jeden Beruf und Stand
erwarten, daß wir auch indes mit Fleiß äußerlich gute Werke tun und
unseres Berufs warten (ihn ausüben) sollen. Darin besteht die rechte
Vollkommenheit und der rechte Gottesdienst, nicht in Betteln oder in einer
schwarzen oder grauen Kappe...
Im folgenden wird aufgezeigt, wie das Volk durch diese
Vollkommenheitslehre zu völlig falschen Vorstellungen
über Gottes Gebot gekommen ist.
Nun ist ja das ein guter und vollkommener Stand des Lebens, welcher
Gottes Gebot für sich hat; das aber ist ein gefährlicher Stand des Lebens,
welcher Gottes Gebot nicht für sich hat. Von solchen Sachen ist es
vonnöten gewesen den Leuten guten Bericht zu tun. . . So viele gottlose
Meinungen und Irrtümer kleben an den Klostergelübden: daß sie
rechtfertigen und fromm vor Gott machen sollen, daß sie die christliche
Vollkommenheit sein sollen, daß man damit beide, des Evangeliums Räte und
Gebote, halte, und daß sie die Übermaßwerke haben, die man Gott nicht
schuldig sei. Weil denn solches alles falsch, eitel und erdichtet ist, so
macht es auch die Klostergelübde nichtig und unbündig (nicht bindend).
Artikel 28
Von der Bischöfe Gewalt
Von der Bischöfe Gewalt ist vorzeiten viel und mancherlei geschrieben
[worden], und etliche haben unschicklich die Gewalt der Bischöfe und das
weltliche Schwert untereinandergemengt, und es sind aus diesem
unordentlichen Gemenge sehr große Kriege, Aufruhr und Empörung erfolgt,
aus dem, daß die Bischöfe im Schein ihrer Gewalt, die ihnen von Christus
gegeben, nicht allein neue Gottesdienste angerichtet haben und mit
Vorbehalt etlicher Fälle und mit gewaltsamem Bann die Gewissen beschwert,
sondern sich auch unterwunden [haben], Kaiser und Könige zu setzen und zu
entsetzen nach ihrem Gefallen; welchen Frevel auch lange Zeit hiervor
gelehrte und gottesfürchtige Leute in der Christenheit gestraft haben.
Deshalb sind die Unsern zum Trost der Gewissen gezwungen worden, den
Unterschied der geistlichen und weltlichen Gewalt, Schwertes und
Regimentes anzuzeigen, und haben gelehrt, daß man beide Regimente und
Gewalten, um Gottes Gebots willen mit aller Andacht ehren und wohl halten
soll als zwei höchste Gaben Gottes auf Erden.
Nun lehren die Unsern
also, daß die Gewalt der Schlüssel oder der Bischöfe sei, laut des
Evangeliums: eine Gewalt (Vollmacht) und ein Befehl Gottes, das Evangelium
zu predigen, die Sünde zu vergeben und zu behalten, und die Sakramente zu
reichen und zu handeln (vollziehen). Denn Christus hat die Apostel mit
diesem Befehl ausgesandt Joh 20,21-23: »Gleichwie mich mein Vater gesandt
hat, also sende ich euch auch. Nehmet hin den heiligen Geist! Welchen ihr
ihre Sünden erlassen werdet, denselben sollen sie erlassen sein, und denen
ihr sie vorbehalten werdet, denen sollen sie vorbehalten sein«.
Diese Gewalt der Schlüssel oder der Bischöfe übt und treibt man allein
mit der Lehre und Predigt des Wortes Gottes und mit Handreichung der
Sakramente gegenüber vielen oder einzelnen Personen, danach der Beruf ist
(je nach Auftrag). Denn damit werden gegeben nicht leibliche, sondern
ewige Dinge und Güter, als nämlich ewige Gerechtigkeit, der Heilige Geist
und das ewige Leben. Diese Güter kann man anders nicht erlangen, als durch
das Amt der Predigt und durch die Handreichung der heiligen Sakramente.
Denn St. Paulus spricht (Röm 1,16): »Das Evangelium ist eine Kraft Gottes,
selig zu machen alle, die daran glauben.« Weil nun die Gewalt der Kirche
oder Bischöfe ewige Güter gibt und sie allein durch das Predigtamt geübt
und getrieben wird, so hindert sie die Polizei und das weltliche Regiment
in keiner Weise. Denn das weltliche Regiment geht mit viel anderen Sachen
um als das Evangelium; die weltliche Gewalt schützt nicht die Seele,
sondern Leib und Gut wider äußerliche Gewalt mit dem Schwert und
leiblichen Penen (Strafen).
Darum soll man die zwei Regimente, das geistliche und weltliche, nicht
ineinander mengen und werfen. Denn die geistliche Gewalt hat ihren Befehl,
das Evangelium zu predigen und die Sakramente zu reichen; sie soll auch
nicht in ein fremdes Amt fallen, soll nicht Könige setzen und entsetzen,
soll weltliches Gesetz und Gehorsam der Obrigkeit gegenüber; nicht
aufheben oder zerrütten, soll weltlicher Gewalt nicht Gesetze von
weltlichen Händeln machen und aufstellen, wie denn auch Christus selbst
gesagt hat (Joh 18, 36): »Mein Reich ist nicht von dieser Welt« . . -
Es folgen weitere Schriftzitate.
Diesergestalt unterscheiden die Unsern die Ämter beider Regimente und
Gewalten und heißen sie beide als die höchsten Gaben Gottes auf Erden in
Ehren halten.
Wo aber die Bischöfe weltliches Regiment und Schwert haben, so haben
sie dieselben nicht als Bischöfe aus göttlichen Rechten, sondern aus
menschlichen, kaiserlichen Rechten, geschenkt von römischen Kaisern und
Königen, zu weltlicher Verwaltung ihrer Güter, und das geht das Amt des
Evangeliums gar nichts an.
Deshalb ist das bischöfliche Amt nach göttlichen Rechten: das
Evangelium predigen, Sünde vergeben, Lehre beurteilen und die Lehre, die
dem Evangelium entgegen [ist], verwerfen und die Gottlosen, deren
gottloses Wesen offenbar ist, aus der christlichen Gemeinde ausschließen,
ohne menschliche Gewalt, sondern allein durch Gottes Wort. Und in diesen
Fällen sind die Pfarrleute und Kirchen schuldig, den Bischöfen gehorsam zu
sein, laut dieses Spruches Christi Lk in10,16: »Wer euch hört, hört mich.«
Wo sie aber etwas dem Evangelium entgegen lehren, setzen oder aufrichten,
haben wir Gottes Befehl in solchem Fall, daß wir nicht gehorsam sein
sollen, Mt 7,15: »Seht euch vor vor den falschen Propheten.« Und St.
Paulus Gal 1, 8: »Wenn auch wir oder ein Engel vom Himmel euch ein anderes
Evangelium predigen würde, als das wir euch gepredigt haben, der sei
verflucht.« ... Und St. Augustin schreibt in der Epistel wider Petilianum:
»Man soll auch den Bischöfen, die ordentlich gewählt (sind], nicht folgen,
wo sie irren oder etwas wider die heilige göttliche Schrift lehren oder
ordnen.«
Im folgenden werden kirchliche Rechtsordnungen behandelt, wie
Ehegerichtsbarkeit, Speise- und Fastenregeln, Feiertage,
Einführung neuer Heiliger etc. Zwar haben die Bischöfe die
Aufgabe, der Kirche eine Ordnung zu geben; doch das soll in
christlicher Freiheit geschehen und nicht so, daß die
Gewissen dadurch belastet werden.
St. Petrus verbietet den Bischöfen die Herrschaft, als hätten sie
Gewalt, die Kirchen zu zwingen, wozu sie wollten. Jetzt geht man [bei uns]
nicht damit um, wie man den Bischöfen ihre Gewalt nehme, sondern man
bittet und begehrt, sie wollten die Gewissen nicht zu Sünden zwingen. Wenn
sie aber solches nicht tun werden und diese Bitte verachten, so mögen sie
gedenken, wie sie deshalb Gott Antwort werden geben müssen, weil sie mit
solcher ihrer Härtigkeit Ursache gelten zu Spaltung und Schisma, das sie
doch billig sollen verhüten helfen.
SCHLUSS
Dies sind die vornehmsten Artikel, die für strittig geachtet werden ...
wir haben allein die Stücke aufgezählt, die wir für nötig anzuziehen
(anzuführen) und zu vermelden geachtet haben, damit man daraus desto
besser zu vernehmen habe, daß bei uns nichts, weder mit Lehre noch mit
Zeremonien, angenommen ist, das entweder der heiligen Schrift oder der
allgemeinen christlichen Kirche entgegen wäre. Denn es ist ja am Tage und
öffentlich, daß wir mit allem Fleiß, mit Gottes Hilfe — ohne Ruhm zu reden
— verhütet haben, damit ja keine neue und gottlose Lehre sich in unseren
Kirchen einflechte, einreiße oder überhandnehme.
Die obgemeldeten Artikel haben wir dem [kaiserlichen] Ausschreiben nach
übergeben wollen, zu einer Anzeigung unseres Bekenntnisses und der Unseren
Lehre. Und wenn es jemand [für nötig] befinden würde, der daran Mangel
hätte, dem ist man erbötig, ferneren Bericht mit Grund göttlicher heiliger
Schrift zu tun.
Von Wikipedia / Wikisource