Zwei Gemeinden
der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Hamburg

Der Große Katechismus Deutsch
in der Fassung des deutschen Konkordienbuches (Dresden 1580)
Einleitung zum Großen Katechismus
Eine Christliche, heilsame und nötige Vorrede
und treue, ernstliche Vermahnung D. Martin Luthers an alle Christen,
sonderlich aber an alle Pfarrherrn und Prediger

daß sie sich täglich im Katechismus, so der ganzen heiligen Schrift eine kurze Summa und Auszug ist, wohl üben und immer treiben sollen usw. daß wir den Katechismus so sehr treiben und zu treiben beide begehren und bitten, haben wir nicht geringe Ursache, dieweil wir sehen, daß leider viel Pfarrherrn und Prediger hierin sehr säumig sind und verachten beides, ihr Amt und diese Lehre, etliche aus großer hoher Kunst, etliche aber aus lauter Faulheit und Bauchsorge, welche sich nicht anders zur Sache stellen, denn als wären sie um ihres Bauches willen Pfarrherrn oder Prediger und müßten nichts tun, denn der Güter gebrauchen, solange sie leben; wie sie unter dem Papsttum gewohnt.

Und wiewohl sie alles, was sie lehren und predigen sollen, jetzt so reichlich, klar und leicht vor sich haben in so viel heilsamen Büchern, und wie sie es vorzeiten hießen, die rechten Sermones per se loquentes, Dormi secure, Paratos et Thesauros, dennoch sind sie nicht so fromm und redlich, daß sie solche Bücher kauften, oder wenn sie dieselben gleich haben, dennoch nicht ansehen noch lesen. Ah das sind zumal schändliche Freßlinge und Bauchdiener, die billiger Sauhirten oder Hundeknechte sein sollten denn Seelwärter und Pfarrherrn!

Und daß sie doch so viel täten, weil sie des unnützen, schweren Geschwätzes der sieben Gezeiten nun los sind, anstatt derselben morgens, mittags und abends etwa ein Blatt oder zwei aus dem Katechismus, Betbüchlein, Neuen Testament oder sonst aus der Bibel zu lesen und ein Vaterunser für sich und ihre Pfarrkinder zu beten, auf daß sie doch dem Evangelio wiederum eine Ehre und Dank erzeigten, durch welches sie denn so von mancherlei Lasten und Beschwerungen erledigt sind, und sich ein wenig schämten, daß sie gleichwie die Säue und Hunde nicht mehr vom Evangelio behalten denn solche faule, schädliche, schändliche, fleischliche Freiheit. Denn der Pöbel achtet leider ohne das allzu geringe des Evangelii, und wir richten nichts Sonderliches aus, wenn wir gleich allen Fleiß anwenden; was sollts denn tun, wenn wir lässig und faul sein wollen, wie wir unter dem Papsttum gewesen sind?


Über das schlägt mit zu das schändliche Laster und heimliche, böse Geschmeiß der Sicherheit und Überdruß, daß viele meinen, der Katechismus sei eine schlechte, geringe Lehre, welche sie mit einemmal überlesen und dann alsobald können, das Buch in Winkel werfen und gleich sich schämen, mehr drinnen zu lesen.

Ja man findet wohl etliche Rülzen und Filze auch unter dem Adel, die vorgeben, man bedürfe hinfort weder Pfarrherrn noch Prediger, man habs in Büchern und könne es von selber wohl lernen, und lassen auch die Pfarren getrost fallen und verwüsten, dazu beide, Pfarrherrn und Prediger, weidlich Not und Hunger leiden; wie sich denn gebührt zu tun den tollen Deutschen. Denn wir Deutschen haben solch schändliches Volk und müssens leiden.

Das sage ich aber für mich. Ich bin auch ein Doktor und Prediger, ja so gelehrt und erfahren, als die alle sein mögen, die solche Vermessenheit und Sicherheit haben. Dennoch tue ich wie ein Kind, das man den Katechismus lehrt, und lese und spreche auch von Wort zu Wort des Morgens, und wenn ich Zeit habe, die zehn Gebote, Glauben, das Vaterunser, Psalmen usw. Und muss noch täglich dazu lesen und studieren und kann dennoch nicht bestehen, wie ich gerne wollte, und muss ein Kind und Schüler des Katechismus bleiben und bleibs auch gerne.

Und diese zarten, ekeln Gesellen wollen mit einem Überlesen flugs Doktor über alle Doktor sein, alles können und nichts mehr bedürfen.

Wohlan solches ist auch ein gewisses Anzeichen, daß sie beides, ihr Amt und des Volkes Seelen, ja dazu Gott und sein Wort verachten und brauchen nicht erst fallen, sondern sind schon allzu gräulich gefallen; bedürften wohl, daß sie Kinder würden und das ABC anfingen zu lernen, das sie meinen längst an den Schuhen zerrissen zu haben.

Derhalben bitte ich solche faulen Wänste oder vermessenen Heiligen, sie wollten sich um Gottes willen bereden lassen und glauben, daß sie wahrlich, wahrlich nicht so gelehrt und hohe Doctores sind, als sie sich lassen dünken, und nimmermehr gedenken, daß sie dieses Stück ausgelernt haben oder allerdings genug wissen; ob sie es gleich dünkt, daß sie es allzuwohl können.


Denn ob sie es gleich allerdings aufs allerbeste wüssten und könnten (was doch nicht möglich ist in diesem Leben), so ist doch mancherlei Nutz und Frucht dahinten, so mans täglich liest und übt mit Gedanken und Reden, nämlich daß der heilige Geist bei solchem Lesen, Reden und Gedenken gegenwärtig ist und immer neue und mehr Licht und Andacht dazu gibt, daß es immerdar besser und besser schmeckt und eingeht, wie Christus auch verheißt Mt 18,20: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich in ihrer Mitte.

Dazu hilfts über die Maßen gewaltig wider den Teufel, Welt, Fleisch und alle böse Gedanken, so man mit Gottes Wort umgeht, davon redet und dichtet," daß auch der erste Psalm selig preist die, so Tag und Nacht vom Gesetze Gottes handeln. Ohne Zweifel wirst du keinen Weihrauch oder andere Geräuche stärker wider den Teufel anrichten, denn so du mit Gottes Geboten und Worten umgehst, davon redest, singst oder denkst. Das ist freilich das rechte Weihwasser und Zeichen, davor er flieht und damit er sich jagen läßt.

Nun solltest du doch ja allein um deswillen solche Stücke gern lesen, reden, denken und handeln, wenn du sonst keine andere Frucht und Nutzen davon hättest, denn daß du den Teufel und böse Gedanken damit kannst verjagen, denn er kann Gottes Wort nicht hören noch leiden; und Gottes Wort ist nicht wie ein anderes loses Geschwätze wie von Dietrich von Bern usw., sondern, wie S. Paulus Röm.1,16 sagt, eine Kraft Gottes; ja freilich eine Kraft Gottes, die dem Teufel das gebrannte Leid antut und uns über die Maßen stärkt, tröstet und hilft.

Und was soll ich viel sagen? Wo ich allen Nutzen und Frucht sollte erzählen, so Gottes Wort wirkt, wo wollte ich Papier und Zeit genug nehmen? Den Teufel heißt man Tausendkünstler; wie will man aber Gottes Wort heißen, das solchen Tausendkünstler mit aller seiner Kunst und Macht verjagt und zunichte macht? Es muss freilich mehr denn hundert Tausendkünstler sein, und wir sollten solche Macht, Nutz, Kraft und Frucht so leichtfertiglich verachten, sonderlich die wir Pfarrherrn und Prediger sein wollen?


So sollte man uns doch nicht allein nicht zu fressen geben, sondern auch mit Hunden aushetzen und mit Lungen auswerfen, weil wir des alles nicht allein täglich bedürfen wie des täglichen Brotes, sondern auch täglich haben müssen wider das tägliche und unruhige Anfechten und Lauern des tausendkünstigen Teufels.

Und ob solches nicht genug wäre zur Vermahnung, den Katechismus täglich zu lesen, so sollte doch uns allein genugsam zwingen Gottes Gebot, welcher 5. Mose 6,7ff. ernstlich gebietet, daß man soll sein Gebot sitzend, gehend, stehend, liegend, aufstehend immer bedenken und gleich als ein stetiges Mal und Zeichen vor Augen und in Händen haben.

Ohne Zweifel wird er solches umsonst nicht so ernstlich heißen und fordern, sondern weil er weiß unsere Gefahr und Not, dazu der Teufel stetiges und wütiges Stürmen und Anfechtung, will er uns davor warnen, rüsten und bewahren, als mit gutem Harnisch wider ihre feurigen Pfeile, Eph. 6,16, und mit guter Arznei wider ihr giftiges, böses Geschmeiß und Eingeben.

O welche tolle, unsinnige Narren sind wir, daß wir unter solchen mächtigen Feinden, als die Teufel sind, wohnen oder herbergen je müssen und wollen dazu unsere Waffen und Wehre verachten und faul sein, dieselbigen anzusehen oder dran zu gedenken!

Und was tun solche überdrüssige, vermessene Heiligen, so nicht mögen oder wollen den Katechismus täglich lesen und lernen, denn daß sie sich selbst viel gelehrter halten, denn Gott selbst ist mit allen seinen heiligen Engeln, Propheten, Aposteln und allen Christen. Denn weil sich Gott selbst nicht schämt täglich zu lehren, als der nichts Besseres wisse zu lehren, und immer solches einerlei lehrt und nichts Neues noch anders vornimmt, und alle Heiligen nichts Bessers noch anders wissen zu lernen und nicht können auslernen;


sind wir denn nicht die allerfeinsten Gesellen, die wir uns lassen dünken, wenn wirs einmal gelesen und gehört haben, daß wirs alles können und nicht mehr zu lesen noch lernen brauchen, und können das auf eine Stunde auslernen, das Gott selbst nicht kann auslehren; so er doch daran lehrt von Anfang der Welt bis zu Ende, und alle Propheten samt allen Heiligen daran zu lernen gehabt und noch immer Schüler sind geblieben und noch bleiben müssen.

Denn das muß ja sein: wer die zehn Gebote wohl und gar kann, daß der muß die ganze Schrift können, daß er könne in allen Sachen und Fällen raten, helfen, trösten, urteilen, richten beides, geistliches und weltliches Wesen, und möge sein ein Richter über alle Lehre, Stände, Geister, Recht und was in der Welt sein mag. Und was ist der ganze Psalter denn eitel Gedanken und Übung des ersten Gebots? Nun weiß ich ja fürwahr, daß solche faulen Bäuche und vermessenen Geister nicht einen Psalmen verstehen, geschweige denn die ganze heilige Schrift, und wollen den Katechismus wissen und verachten, welcher der ganzen heiligen Schrift kurzer Auszug und Abschrift ist.

Darum bitte ich abermals alle Christen, sonderlich die Pfarrherrn und Prediger, sie wollen nicht zu früh Doctores sein und alles zu wissen sich dünken lassen - es geht an Dünken und gespanntem Tuch viel ab -, sondern sich täglich wohl drinnen üben und immer treiben, dazu mit aller Sorge und Fleiß sich vorsehen vor dem giftigen. Geschmeiß solcher Sicherheit oder Dünkelmeister, sondern stetig anhalten, beides, mit Lesen, Lehren, Lernen, Denken und Dichten, und nicht also ablassen, bis so lang sie erfahren und gewiß werden, daß sie den Teufel tot gelehrt und gelehrter geworden sind, denn Gott selber ist und alle seine Heiligen.

Werden sie solchen Fleiß tun, so will ich ihnen zusagen, und sie sollens auch innewerden, welche Frucht sie erlangen werden und wie feine Leute Gott aus ihnen machen wird, daß sie mit der Zeit selbst fein bekennen sollen, daß je länger und mehr sie den Katechismus treiben, je weniger sie davon wissen und je mehr sie daran zu lernen haben, und wird ihnen, als den Hungrigen und Durstigen, dann allererst schmecken, was sie jetzt vor großer Fülle und Überdruss nicht riechen mögen. Da gebe Gott seine Gnade zu! Amen.

Gr. Katechismus
hoch