1893 - 1993
Einleitung
In den geschichtlichen Quellen unserer Zionsgemeinde
lesen wir, daß sich 1893 unter Wilhelm Lusznats Leitung
aus Gemeindegliedern ein gemischter Sängerchor gebildet
hat. Mit geringen Unterbrechungen während des 2.Weltkriegs
gibt es also in unserer Gemeinde einen Kirchenchor,
der seine Aufgabe vorwiegend darin sieht, durch die Ergänzung
zur Liturgie und durch das Singen mehrstimmiger Chorsätze
unsere Gottesdienste zum Lobe Gottes zu bereichern.
Überlegt man sich die Umstände, unter denen der Chor über
ein Jahrhundert bewegter Geschichte seine Arbeit durchgeführt
hat, können Chor und Gemeinde mit Dank und Freude auf die
vergangene Zeit zurückblicken, und wir sollten mit Mut und
Zuversicht in die Zukunft sehen. Überschaut man die Geschichte
unserer Gemeinde, so könnte man von der Art der Chorarbeit
vier Epochen erkennen, denen wir uns im einzelnen zuwenden
wollen.
Die erste Epoche
(Die Zeit vor 1893)
Unsere Gemeinde besteht seit 1841. Gab es denn vor 1893
kein Chorsingen in unserer Gemeinde ? In den Quellen ist zu
lesen, daß es auch vorher Versuche gegeben hat, einen gemischten
Chor, auch mal einen Männerchor zustande zu bringen. Sie waren
aber nicht von Dauer, wenn auch einige Mühe aufgebracht wurde.
So erfahren wir, daß der Klavierlehrer Menthe, der seit 1848
gegen Bezahlung das Organistenamt versah, die "singfähigen
Männer der Gemeinde im Choralsingen förmlich unterrichtete,
wozu er ihnen selbst Melodienbücher schrieb und keine Mühe
scheute, die ungeübten und ungelenken Ohren und Kehlen der
teilweise nicht mehr jungen Männer in guten Schick und Gang
zu bringen." (M1) Dass damals noch kein bleibender Chor
zustande kam, lag zum einen wohl daran, daß unsere kleine
Gemeinde trotz ihrer Treue und ihres Einsatzes für eine
Chorarbeit geeignete Sänger in ausreichender Zahl nicht
hatte.
Zum andern muß aber auch festgestellt werden, dass die
praktische Kirchenmusik in den Gemeinden zu der Zeit
überhaupt daniederlag. Es gab nicht Gemeindechöre,
in denen sich erwachsene Gemeindeglieder aus Freude
am mehrstimmigen Singen zum Lobe Gottes zu regelmäßiger
Arbeit zusammenfanden. Kirchenmusik wurde allenfalls
von Kinderchören, bezahlten Chören und Solostimmen
durchgeführt.
Seit der Mitte des 19..Jahrhunderts bildeten sich auch
in Hamburg die Chorvereine, die ihre Aufgabe aber fast
ausschließlich in der Aufführung der großen symphonischen
Chorwerke sahen und selten für Gottesdienste zur Verfügung
standen. Eine Belebung der gottesdienstlichen Chormusik
erfolgte erst im 20.Jahrhundert. Die großen leistungsfähigen
Laienchöre in den Kirchen entstanden in größerer Zahl sogar
erst nach dem 2. Weltkrieg.
Zum Singen in unserer Gemeinde sei noch am Rande vermerkt,
daß es zwischen Pastor Meinel und dem Organisten Menthe
über das "rhythmische" Singen von Chorälen einen
Streit gab, in dem Pastor Meinel zunächst gegen Organist
und Gemeinde nachgegeben hat. Was mit dem
"rhythmischen" Singen gemeint ist, mag in der
Gegenüberstellung von zwei Melodieteilen des Chorals
"Ein feste Burg ist unser Gott" verdeutlicht
werden. Beide Formen sind auch heute noch in unserem
Evangelisch-Lutherischen Kirchengesangbuch (ELKG, Nr.201)
abgedruckt. Die erste Form, die Pastor Meinel .gesungen
haben wollte, ist die kräftige, ursprüngliche Melodie
von Martin Luther.
Hier das Beispiel aus dem Lied:
Die zweite Form, von Herrn Menthe - ganz im
kirchenmusikalischen Geschmack seiner Zeit befangen wollte
die spätere Form beibehalten.
Hier derselbe Teil aus dem Lied in der späteren Form:
Menthe meinte, die rhythmische Singweise, also die erste
Form, "gehe nicht im Gemeindegesang, nur ein geübter
Chor könne rhythmisch singen, auch passe es nicht zu der
Würde des Gottesdienstes". (M2) Zusätzlich muß man
bedenken, daß in den Gottesdiensten der damaligen Zeit die
Choräle, damit sie würdig klingen sollten, in einem so
langsamen Zeitmaß gesungen wurden, wie es für uns heute
unbegreiflich ist. Wie viel Freude haben wir am frischen
Gemeindegesang in der rhythmischen Form, wenn diese uns
bei Chorälen aus der Reformationszeit vorgegeben ist.
Pastor Meinel schreibt aus der Zeit um 1886:
"Denn nicht allein der rhythmische Gesang,
sondern auch die ganze schöne Form des Gottesdienstes
nach der Löhe'schen Agende hat allmählich Anklang
und Wohlgefallen in der Gemeinde gefunden." (M3)
Die zweite Epoche
(Die Zeit von 1893 bis 1921)
1893 ist nun das Jahr, das als Gründungsjahr des
Zionskirchenchors angegeben wird, der bis heute und
hoffentlich mit Gottes Hilfe auch weiterhin besteht.
In der Gemeindechronik von Hermann Schulz lesen wir:
"1893 nahm W. Lusznat die Sache in die Hand, und
seiner Energie und musikalischen Fähigkeit gelang es,
etwas Dauerndes zu schaffen.
Was ein Kirchenchor bedeutet, der nicht aus bezahlten
Kräften besteht sondern aus Gemeindegliedern, das lernte
nun die Zionsgemeinde kennen: Die Liturgie und der
Choralgesang wurden gestützt, die Festgottesdienste
mit Chorgesängen verschönert, die konfirmierte Jugend
fand einen neuen Zusammenhalt und willkommene Mitarbeit im
Gemeindeleben. Freilich kam sehr viel auf die Leitung des
Chores an, und gerade in dieser Beziehung scheint damals
der rechte Mann am rechten Platz gestanden zu haben. W.
Lusznat nahm es mit seinem musikalischen Amt sehr ernst: in
den Übungsstunden wurde ernstlich gearbeitet und alle Stimmen
bis in die Kleinigkeiten geschult, das geschriebene und
vervielfältigte Notenmaterial in Stimmbüchern aufbewahrt
und geordnet." (S1)
Wilhelm Lusznat, 1846 in Hamburg geboren und in bescheidenen
Familienverhältnissen aufgewachsen, hatte bei der Firma H. O.
Persiehl das Buchdruckerhandwerk erlernt und war bis zum
Geschäftsführer und Prokuristen aufgestiegen. Als
Kirchenvorsteher, Organist und als Leiter des Kirchenchores
bis kurz vor seinem Tod 1919 hat er treu der Gemeinde
gedient.
Welche Sätze damals erarbeitet und im Gottesdienst gesungen
wurden, ist wohl nicht mehr genau zu erfahren. Die Noten
sind während der Zerstörung unserer Kirche mit verbrannt.
Sie sollen zum großen Teil mit "hohem musikalischen
Geschmack" ausgesucht und zusammengestellt worden
sein. Es waren wohl manche alte Sätze der protestantischen
Kirchenmusik, die auch heute noch zum festen Bestand
unserer Arbeit gehören, aber wohl auch Musik heute
weitgehend unbekannter Komponisten der Romantik, zu denen
wir heute nicht mehr so recht einen Zugang finden.
Neben W. Lusznat versah auch der Kirchenvorsteher Heidtmann
den Orgeldienst, ab 1904 vorwiegend Martin Peters und
Martin Polster.
Besonders M. Peters soll 28 Jahre lang das Amt mit Liebe
und beachtlichem Können versehen haben. Er war nicht
verheiratet. Verwandte Nachfahren berichten, daß seine
Liebe der Musik galt. Sein Musikinteresse ging weit
über die Kirchenmusik hinaus. Er spielte auch Geige
und Klavier. Aus seinem Notenschatz besitzen wir noch
heute wertvolles Material aus der Zeit der Klassik und
Romantik.
Mit dem Bau unserer
Kirche am Wandsbeker Stieg und der Einweihung 1915 stand
den Organisten auch eine neue Orgel zur Verfügung, die zum
fleißigen Spiel anregte und allen viel Freude bereitet
haben soll.
Zeitweilig,
besonders nachdem W. Lusznat die Chorarbeit aus Altersschwäche
aufgeben mußte, übernahm M. Peters die Leitung. Aber diesen
Dienst tat er wohl weniger gern als den an der Orgel. So
erzählte mir seine Nichte, daß man bei den Chorproben an
seinem Gesicht ablesen konnte, ob er Lust hatte oder nicht,
wobei wohl auch oft die Müdigkeit nach einem Tag anspruchsvoller
Berufsarbeit viel beitrug.
Der erste Weltkrieg brachte auch für die Gemeinde Trauer.
Einige junge Männer fielen an der Front, zu denen auch der
musikalisch begabte Johannes Peters zählte, in dem man den
zukünftigen Organisten der Zionsgemeinde erhofft hatte.
Die dritte Epoche
(Die Zeit von 1921 bis 1943)
Die dritte Epoche unserer Chorgeschichte ist eng mit
dem Namen Dr. Hermann Schulz verbunden. Dr. Schulz kam
zu uns durch den Zusammenschluss der Zionsgemeinde mit
einer kleinen Hamburger Gemeinde der Hannoverschen
Freikirche, die bereits seit einigen Jahren in
unseren Kirchräumen ihre Gottesdienste hielt.
Dr. Schulz war Studienrat für alte Sprachen am
Wilhelm-Gymnasium in Hamburg, musikalisch hochbegabt.
Sein weit über die Gemeinde hinaus anerkanntes Können
im Orgelspiel, Dirigieren und Komponieren hat er sich
weitgehend als Autodidakt selbst angeeignet. Er war
mit seiner schlichten und geselligen Art eine Autorität
in der Gemeinde, so daß noch heute von unseren älteren
Gemeindegliedern sein Name mit Achtung genannt wird.
Unter Dr. Schulz erlebte der Chor eine Blütezeit mit
der Aufführung respektabler Werke.
Diese Chorepoche stellt sich für uns Spätere als ein
erstaunliches Phänomen dar.
Sicher war es die ausstrahlende Persönlichkeit Dr.
Schulz', durch die der Chor die neuen Impulse mit
Bereitwilligkeit aufnahm und umsetzte. Auch war es
wohl das Erlebnis, von Dr. Schulz an die große Musik
Johann Sebastian Bachs herangeführt zu werden, sie
kennen zu lernen und selbst zu erleben. Es gab ja noch
nicht den Musikimport mit höchster Qualität frei
Wohnzimmer mit Schallplatte, Tonband, CD, Radio und
Fernsehen. Die allgemeine Bachbegeisterung, die in der
Kirchenmusik etwa seit der Mitte des 19. Jahrhunderts
einsetzte. (Die denkwürdige Wiederaufführung der
Matthäuspassion unter Felix Mendelssohn Bartholdy 1829
in der Berliner Singakademie war der Anfang der grossen
Bachrenaissance.), hatte wohl den Zionschor bis dahin
noch nicht recht erreicht. Diese neuen Impulse empfand
der Chor vielleicht auch als die Erlösung aus einer
gewissen Chormüdigkeit. Vielleicht mag sogar die
Aufbruchstimmung der frühen 20er Jahre ihren Einfluss
gehabt haben.
Jedenfalls kann man sagen: Dr. Schulz hatte seinen Chor
gefunden, und der Chor hatte seinen Dr. Schulz gefunden.
Der Chor eroberte mit einer man darf wohl wertneutral
aus heutiger Sicht sagen - naiven Begeisterung die große
Musik J.S. Bachs.
Sehen wir uns Programme dieser Zeit an:
1. Ein Kantaten-Abend am 9.Mai 1922 in der
Anscharkapelle mit Orgelwerken und Kantaten
von J.S.Bach (siehe Programm) Die originale
Orchesterbegleitung übernahmen Orgel und Klavier.
09.Mai 1922 |
26.04.1923 |
27.03.1924 |
|
|
|
Im Zionspilger ist zu lesen, daß Karten zu 10,- und 15,-
Mark nach dem Gottesdienst im Gemeindesaal und,
jederzeit im Pastorat zu haben waren.
2. Kantaten-Abend am 26.April 1923 mit den Bach-Kantaten
- Bleib bei uns, Herr
- Liebster Gott, wann werd ich sterben
- Gott, der Herr, ist Sonn und Schild (siehe Programm)
Eintrittskarten zu 1000,- und 600,- Markt denn es war
die Inflationszeit.
3. Konzert unseres Zionskirchenchors am 27.März 1924
- Römhildt: Matthäus-Passion für Soli, Chor und
Orchester
(Hamburger Erstaufführung) (siehe Programm)
Römhildt (1684-1756) war ein Zeitgenosse J.S. Bachs.
Eintrittskarten 1,- und 2,- Mark (Die Inflation war vorüber)
Neben den Konzerten und unentgeltlichen Abendmusiken
wurde selbstverständlich auch im Gottesdienst gesungen.
Wie stark die Musik J.S.Bachs die Chorarbeit unter Dr.
Schulz bestimmte zeigen die Jahresprogramme des Chors,
die etwa seit 1930 regelmäßig im Zionspilger bekannt gegeben wurden.
Sehen wir uns die beiden Jahresprogramme 1933/34 und
1934/35 an. (P1)
Sie reichten jeweils vom Erntdankfest des einen Jahres
bis zum Trinitatisfest des nächsten Jahres. Mehr als
Zweidrittel der gesungenen Werke waren von Bach.
Neben einigen kleinen Chorsätzen alter Meister kamen
auch Sätze aus den großen Werken von Brahms (Requiem),
Mendelssohn (Paulus) und Haydn (Schöpfung) zu Gehör.
Im Einführungsgottesdienst von Pastor Horwitz am 9.
Dezember 1928 sang der Chor aus dem Requiem von
Johannes Brahms: Wie lieblich sind deine Wohnungen,
Herr Zebaoth. (natürlich mit Orgel- und nicht
originaler Orchesterbegleitung).
Wer war nun eigentlich dieser Chor, der mit einem
solchen Einsatz und solcher Begeisterung sich diese
herrliche Musik eroberte ?
Einige Namen konnte ich erfahren; es waren gewiß mehr:
Sopran:
1. Reihe (das ist wichtig, man hatte genau seinen Platz !)
Lieschen Riecken, Hanna Richter, die beiden
Schwestern Hilmer, Liesbeth Peters.
(Paula Baruth und Annelie Kehrhahn kamen als Neulinge dann im Sopran
dazu).
2. Reihe, 1. Platz:
Toni Heidtmann, dann kamen die drei Peters-
Mädchen: Paula, Annelie, Käthe.
Zeitweilig gehörten zum Sopran auch die Schwestern
Lenchen und Liesel Polster.
Alt
Alwine Peters, Johanna Peters, Martha Lorenz.
Tenor:
Martin Peters mit seinem herrlichen hohen Tenor,
Manuel Börsen, auch mit herrlicher Stimme.
Er konnte keine Noten lesen, beherrschte aber
seine Stimme mit nachbarlicher Stütze schnell
auswendig.
Dann Heinrich Peters, der Vater von Johannes
Peters.
Später kamen Adolf Baruth und Martin Kehrhahn
dazu.
Bass:
Franz Peters, Johannes Peters und Rudolf Elbers.
Es war ein Chor, der entscheidend aus der Großfamilie Peters
bestand. Es muß eine recht geschlossene Gruppe gewesen sein,
so daß offenbar keine große Integrationswirkung auf die
Gemeinde ausgeübt wurde. Aber es war eine leistungsfähige
Gruppe, die mit großer Freude zum Lobe Gottes sang.
Dr. Schulz' Anliegen war es, die große Kirchenmusik in den
Raum der Kirche zurückzuholen, wo sie von ihrer Aussage her
ihren Platz hatte. >Dr. Schulz weist mit Stolz und Demut
darauf hin, daß im Chor unbezahlte Sänger (in den 20er
Jahren ungewöhnlich) aus unserer kleinen Gemeinde große
Kirchenmusik in die Gottesdienste hineintrugen.
Bei dieser Begeisterung für die Musik Bachs und seiner Zeit
konnte es nicht ausbleiben, daß die anderen Stilepochen der
evangelischen Kirchenmusik nur gering vertreten waren oder
gar vernachlässigt wurden. Gewiss erklangen in den
Gottesdiensten auch kleinere Sätze der alten Meister.
Aber die zum Teil ausdrucksvolle Musik der ersten Hälfte
des 20.Jahrhunderts, die auch als "Wiedergeburt der
Kirchenmusik" bezeichnet wird und stellvertretend
für manche heute anerkannte Komponisten mit den Namen
Distler und Reda verbunden ist, fand in unserer Gemeinde
wohl keine Beachtung.
Es würde den Rahmen dieser Darstellung sprengen, wollte
man auch noch auf alle Chortreffen mit anderen Gemeinden
und die übergemeindlichen Sängerfeste eingehen. Über
einige Jahre gab es Chortreffen der Chöre unserer
Zionsgemeinde und der Gemeinde der großen Kreuzkirche
in Hermannsburg. Ein Sängerfest in Hamburg soll aber
doch hervorgehoben werden. Es war ein Sängerfest der
vereinten Chöre der Hermannsburg-Hamburger und der
Hannoverschen Freikirche. Es fand statt in Bans'
Gesellschaftshaus am Besenbinderhof. Verantwortlicher
Leiter war Pastor Heicke, die Festpredigt hielt Pastor
Horwitz. Der "köstliche Fest- und Freudentag"
endete mit einer Elbfahrt nach Schulau.
Diese schöne 3. Epoche unserer Chorgeschichte fand 1943
mit der Zerstörung Hamburgs und unserer Kirche ihr Ende.
Die vierte Epoche
(Die Zeit nach dem 2.Weltkrieg bis zur Gegenwart)
Wie sollte bei der Zerstreuung der Gemeinde und der
Raumnot nach den Zerstörungen des 2.Weltkriegs die
Chorarbeit fortgeführt werden ?
Kirche und Gemeinderäume waren zerbombt. Die Arbeit
begann sehr einfach. Es fehlte an allem. Viele
ehemalige Chorsänger waren zunächst noch nicht wieder
in Hamburg, es fehlte an Übungsräumen, Heizmaterial,
Noten. Zum Teil in Schulgebäuden, mal in Privaträumen
begann unter Johannes Peters' und Gerhard Schulz'
Leitung zaghaft wieder die Chorarbeit, zunächst noch
im Stil der 3.Epoche vor dem Krieg. Bald hatte der
Chor aber wieder eine erfreuliche Stärke von 30 bis
40 Sängern, so daß er trotz der Beschwernisse seine
Aufgabe mit Freude anpackte und wieder in den
Gottesdiensten, die ja zunächst noch in der
Anscharkirche am Valentinskamp stattfanden, singen
konnte. Einen Höhepunkt stellte am 17.September
1950 die Einweihung unserer aus den Trümmern
wiedererbauten Kirche dar. Der Chor führte mit
Instrumenten die von Dr. Schulz für diesen Anlaß
komponierte Kantate nach den Worten des 118. Psalms
auf:
"Der Herr züchtiget mich wohl,
aber er gibt mich dem Tode nicht. Tut mir auf
die Tore der Gerechtigkeit, daß ich dahin
eingehe und dem Herren danke."
An Noten wurden u.a. die von Dr. Schulz und Pastor
Hans-Heinrich Salzmann herausgegebenen Chorbücher
Gloria I und Gloria II angeschafft. Sie enthalten
überwiegend Choralsätze. aber auch leichte Motetten
alter Meister. Einige Sätze wurden von Dr. Schulz
komponiert. Diese beiden Bände gehören noch heute
zum Grundstock unserer Arbeit, wie zur Arbeit vieler
Gemeindechöre unserer SELK. Im Laufe der Zeit wurde
der Notenbestand ergänzt durch einige weitere
Chorbücher, Sammlungen vorwiegend für die Sängerfeste
und Einzelblätter mit Choralsätzen und kleineren Motetten
alter aber auch neuer Meister.
Nachdem 1960 Pastor Gasde den Dienst in unserer Gemeinde
aufgenommen hatte, übernahm er bald mit seinem musikalischen
Können, seine Erfahrungen und eigenen Vorstellungen die
Chorleitung. Ihm folgte 1966 seine Tochter Christa Gasde
am Dirigentenpult. In treuer, anspruchsvoller und
sorgfältiger Arbeit hat sie 15 Jahre mit dem Chor
gearbeitet. Choralsätze, kleine Motetten und Kantaten
zu besonderen Anlässen unter Mitwirkung von Solisten
und Instrumenten bildeten ein farbiges Programm.
Als Christa Gasde nach Karlsruhe-Durlach in die Nähe
der Familie ihrer Schwester Catharina und ihrer Eltern
übersiedelte, erging an den Verfasser dieser Zeilen die
Frage, ob er bereit sei, die Arbeit mit dem Chor seiner
Heimatgemeinde fortzuführen.
Was kennzeichnet nun die Chorarbeit unserer Gemeinde
seit den 50er Jahren ?
Alle Chorleiter sind keine ausgebildeten Kirchen
Musiker. Aber durch zum Teil langjährige und
umfangreiche Erfahrungen als Sänger in großen
und kleinen Kirchenchören außerhalb und innerhalb
unserer Kirche erfuhr unsere Chorarbeit manche
Bereicherung.
Das Ziel unserer musikalischen Arbeit ist nicht auf
große Aufführungen gerichtet sondern fast ausschließlich
auf die Verschönerung unserer Gottesdienste. Selbst
die Programme der übergemeindlichen Sprengel- und
Bezirkssängerfeste, für die alljährlich geübt werden
muß, werden nach Möglichkeit so ausgewählt, daß sie
auch in den Gemeindegottesdiensten Verwendung finden
können. Zu erwähnen ist auch das Singen des Chors auf
einigen Stationen eines Krankenhauses, eine Aufgabe,
die der Chor schon lange am zweiten Weihnachtstag und am
Ostermontag, jeweils vor dem Gottesdienst, wahrnimmt.
Seit vielen Jahren versieht der Chor auch einen Teil
des liturgischen Dienstes u.a. beim Wechselgesang des
Introitus und dem Halleluja-Vers.
Ergänzt sei auch die Zusammenarbeit mit dem Chor der
Dreieinigkeitsgemeinde, unserer Hamburger
Schwestergemeinde in der SELK.
In mancher Abendmusik und manchem Gottesdienst haben
beide Chöre gemeinsam unter der Leitung ihrer Chorleiter
gesungen. Wenn auch die Chorarbeit mit erheblichem
Einsatz und viel Freude aller Beteiligten durchgeführt
wird, so sollen doch nicht die Sorgen ganz verschwiegen
werden. Durch geringen Nachwuchs, Fortzug junger Leute
zum Teil zwecks Berufsausbildung und durch die großen
Entfernungen zur Kirche nimmt die Sängerzahl ab, so daß
wir manchmal in unseren Programmwünschen zurückstecken
müssen.
Die großen Werke der Kirchenmusik kann man heute in
reicher Auswahl von guten Chören und Orchestern mit
meist hoher Qualität hören. Diese Musik kann für unsere
Gemeindechöre nicht Aufgabe sein. Aber die Kirchenmusik
von der Reformation bis zur Gegenwart ist reich an
kleinen Werken, die unseren Chören angemessen sind.
Manches schöne Stück ist verdeckt unter dem Glanz der
großen Werke. Diesen Schatz zu sichten und unsere
bekannte Literatur zu pflegen, darin mag auch unser
Zionschor seine Aufgabe sehen. Gelingen und Niveau
der Chorarbeit ist natürlich vom Chor und Chorleiter
abhängig, aber der Chor ist Teil der Gemeinde und
so trägt auch die Gemeinde Verantwortung für die
Chorarbeit.
Wir sagen Gott Dank für sein Wirken in unserer Gemeinde
und bitten ihn, daß wir auch in Zukunft mit der
reichen Kirchenmusik in unseren Gottesdiensten
ihn loben und verkündigen dürfen.
Gerhard Singer, Sommer 1993
Quellennachweis
-
1. Pastor Meinel / Rückblick auf Gottes Gnadenerweisungen
an der evang.-luth. Zionsgemeinde zu Hamburg (1. Gemeindechronik), daraus:
- M1 : Seite 11,
- M2 : Seite 11 / 12,
- M3 : Seite 67 / 68
-
2. Hermann Schulz, Gerhard Schulz /
DIE EVANGELISCH-LUTHERISCHE ZIONSGEMEINDE HAMBURG 1841 - 1966, daraus:
-
3. ZIONS-PILGER Gemeindeblatt der Ev.-luth. Zionsgemeinde in Harnburg, daraus:
- P1 : Jg.1933, S.75 und Jg. 1934, S.35
-
4. Geschichte der evangelischen Kirchenmusik
- Hrsg. von Friedrich Blume
-
5. Gespräche mit ehemaligen Chormitgliedern